Paradeisgärtner Walter Sattler: "Wenn ich in Tirol bin, sage ich 'Tomate' - die glauben sonst, ich baue Paprika an."

Foto: Thomas Rottenberg

Weingartenlacke - Auch wenn man sie in keinem Atlas findet: Mitten durch Österreich verläuft eine Grenze. In Nord-Süd-Richtung. Sie teilt das Land in zwei Teile: die Tomaten-Paradeiser-Demarkationslinie.

"Ungefähr bei Salzburg" verortet sie der Burgenländer Walter Sattler - und bezieht auch gleich Position: "Ich sage Paradeiser. Aber wenn ich in Tirol bin, muss ich Tomate sagen - sonst glauben die Leute, ich baue Paprika an."

Doch die Terminologiedifferenzen, betonte der Paradeisgärtner aus dem burgenländischen Ort Weingartenlacke, seien kein Grund, nicht über die alle Sprachgrenzen hinweg zu feiern: Am Montag begeht Österreich den "Tag der Paradeiser". Zum dritten Mal: Weil "der 8. 8. im Kalender wie eine runde Rispe aussieht, haben wir diesen Tag gewählt", erklärt AMA-Kommunikationschefin und Paradeisertag-Miterfinderin Hermine Hackl.

Fusion mit "Tomatina"?

Überlegungen, den Tag zu internationalisieren, also etwa mit der "Tomatina", der großen, alljährlichen Tomatenschlacht am letzten August-Mittwoch im spanischen Ort Bunol zu junktimieren, wären aber "eine Überlegung wert."

Das Motto, mit dem der hohe Feiertag in der österreichischen Seele zu verankert werden soll, lautet: "Die Nummer eins, wie jeder weiß, ist hierzuland' die Paradeis" - und bei der von der AMA organisierten (Burgen-)Landpartie bekannte auch Umweltminister Niki Berlakovich seine Liebe zur Rotfrucht.

Top seit den 1950ern

Berlakovich befindet sich da in mehrheitsfähiger Gesellschaft: Das aus Südamerika stammende Nachtschattengewächs hat sich seit den 1950er-Jahren zum liebsten Gemüse der Österreicher gemausert: 25 Kilo pro Kopf und Magen werden jährlich verputzt. Tomatenkauf-Staatsmeister sind die Tiroler: Fast 86 Prozent kauften hier laut AMA im Vorjahr Tomaten. Paradeismuffel sind die Oberösterreicher: Jeder Vierte hatte gar keine Paradeiser im Einkaufswagerl.

Da auf 175 Hektar heimischer Anbaufläche 2010 aber "nur" 44.241 Tonnen Tomaten geerntet wurden, musste Berlakovich einräumen, dass Österreich alles andere als paradeisautark sei: Nur ein Fünftel der Früchte reife am Feld oder im Glashaus - der Rest meist im Lkw aus Südeuropa. Mit zweifelhaftem Ruf ob der Produktionsbedingungen für Menschen und Pflanzen.

Paradeisgärtner Sattler hat aus anderen Gründen seine Not mit Importparadeisern: Die Tomatenminiermotte (Tuta absoluta), ein Bio-Invasor ohne heimische Widersacher, setzt der Branche zu. Und Gift wäre "ein Schuss ins Knie: Wir bestäuben mit Hummeln. Was glauben Sie, wie die auf Pestizide reagieren?"(Thomas Rottenberg, DER STANDARD; Printausgabe, 8.8.2011)