In Untersuchungen zu den beliebtesten Arbeitgebern belegen seit Jahren - von leichten Veränderungen abgesehen - ähnliche Firmen die obersten Plätze. Das Employer-Branding scheint zu funktionieren, das firmeninterne Recruiting jubiliert. Erfolg birgt aber auch Gefahren. Eine davon ist ein zu großes Vertrauen in die Marke als Dach statt eines differenzierten Angebots für unterschiedliche Zielgruppen des Recruitings. Das gilt vor allem für die stark umworbene Gruppe der High Potentials.

Vor diesem Hintergrund wurden in Zusammenarbeit mit dem globalen Headquarter von L'Oréal 339 Absolventen eines europäischen Elite- Masterprogramms (CEMS) unter anderem vertieft nach ihren Präferenzen hinsichtlich ihrer zukünftigen Arbeit gefragt. Dabei zeigen sich sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das Spektrum reicht von klassischer Organisationswelt bis hin zu Selbstständigkeit oder sehr flexiblen, projektorientierten Beschäftigungsformen. In einem Workshop mit den Personalverantwortlichen wurden auf dieser Basis die Grundannahmen der globalen Recruitment-Strategie unter die Lupe genommen. Zwei zentrale Ergebnisse waren die Folge.

Basiseinsichten

Eine erste Basiseinsicht betraf das übertriebene Vertrauen auf die Marke als Dach. Etwas verkürzt lautete das implizite Credo: Unsere Marke spricht für sich selbst, wir sind damit ein ausreichend attraktiver Arbeitgeber. Für ein bestimmtes Segment zukünftiger Beschäftigter - diejenigen mit Präferenz für die typische Großorganisation - ist das durchaus hinreichend attraktiv. Aber: Andere Personengruppen, die etwa Flexibilität und wechselnde Einsatzmöglichkeiten bevorzugen, werden dadurch abgeschreckt. Das führte zur zweiten Basiseinsicht: Wir müssen stärker die unterschiedlichen Möglichkeiten unter unserem Dach herausstreichen, das Vertrauen auf das Dach alleine genügt nicht. Vielmehr ist es essenziell, die vielfältigen Optionen in unserem Konzern herauszustreichen. Wenn sie wollen, bieten ja gerade Großorganisationen verschiedenste Karrierealternative. Das spricht dann nicht nur "Organisationsweltler", sondern auch jene an, die sich zunächst eher kurzfristig, mit wechselnden Einsatzorten und unterschiedlichen Beschäftigungs- und Tätigkeitsformen binden wollen.

Eine vor einiger Zeit im Economist erschienene Stellenanzeige für einen "Chief Economist" der BASF liefert das dafür passende Bild: die Lunchbox mit vielfältigen Inhalten. Dabei wurde neben den textlich übermittelten fachlichen Anforderungen sehr prominent und in Farbe eine weitgehend geöffnete Lunchbox gezeigt, die zwölf Speisehappen - von Maki Avocado über Nigiri Lachs bis hin zu in Schokolade getunkter Erdbeere und einem Törtchen - enthält. Die Botschaft ist klar: Wir bieten ein renommiertes Dach, aber darunter sind wir kein unüberschaubarer Moloch, sondern überschaubar, differenziert und sprechen ganz unterschiedliche Karrieregeschmäcker an. (Wolfgang Mayrhofer, DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.8.2011)