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Warum sollen Islam und Gewalt eins sein? Die überwiegende Mehrheit der Muslime ist Vorurteilen ausgeliefert.

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In seinem Kommentar "Islamophobie statt Judenhass" (DER STANDARD vom 2. August) hat Eric Frey richtigerweise festgehalten, dass die Islamfeindlichkeit den alten Antisemitismus in Teilen der europäischen Rechtsparteien abgelöst hat und Israel in diesem Verhältnis als Verbündeter betrachtet wird. Frey fragt sich, warum.

Mir scheinen zwei Gründe auf der Hand zu liegen: Erstens geht es den rechtspopulistischen Parteien darum, jeden Verdacht des Rechtsextremismus und der Deutschtümelei von sich zu weisen. Auf der Suche nach einer breiteren Akzeptanz scheint ein Bezug auf antisemitische Verschwörungstheorien nicht mehr zeitgemäß. Längst überwiegt ohnehin die Ablehnung des muslimischen Anderen, nicht des jüdischen. Die Breitenwirkung islamophober Stereotype ist nicht zu übersehen.

Zweitens darf nicht vergessen werden, dass die jeweiligen Nationalismen europäischer Rechtsparteien sich oftmals untereinander widersprochen haben. Die sich als wahltaktisch klug herausstellenden islamophoben Kampagnen wie die Minarettdebatten forcierten jedoch die europäische Koordination der Rechtsparteien. Regelmäßig finden Treffen zwischen Vertretern rechter Parteien sowie islamophoben Bloggern statt, um ihre Strategien auszutauschen. Islamophobie ist damit bindendes Glied zwischen den rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien geworden.

Frey erliegt jedoch einem Trugschluss, wenn er schreibt, dass "in keinem Land in Europa die jüdische Bevölkerung ein Problem war" . Er meint zudem, "sozial und kulturell" hätten die antimuslimischen Vorurteile im Gegensatz zum Antisemitismus eine "rationale Basis" . Hier bedient sich Eric Frey indirekt - und wohl unbewusst - einem konstitutiven Element von Rassismen. Denn erst die Imagination des Jüdischen oder Muslimischen macht ein soziales und kulturelles Problem jüdisch bzw. muslimisch.

So waren die Wiener Juden nicht bloß assimilierte Freuds und Zweigs, sondern stellten in der Wahrnehmung der Antisemiten auch eine "kulturelle" Bedrohung dar. Problematisch wurden Andersartigkeiten, als sie von den Antisemiten zu Problemen konstruiert wurden.

Einer rationalen Basis entbehrten hingegen jene "Probleme" ebenso, wie sie es bei "muslimischen Problemen" tun. Denn nicht überall, wo Islam draufsteht, ist dieser drin. Auch wenn im Bereich der Sicherheit das Argument Freys eher greift (Anschläge in London, Madrid und Istanbul), so liegt das Problem nicht darin, dass die Täter sich zum Islam bekannten. Wie alljährlich Berichte der Europol zeigen, weist nur eine winzige Minderheit an Terrorakten einen islamistischen Hintergrund auf. Hier ist die kritische Frage zu stellen, wie es geschehen kann, dass Studien zufolge in vielen europäischen Bevölkerungen der Eindruck bleibt, dass Islam und Gewalt eins seien. Eine Frage der Berichterstattung?

Auch wenn die Grenze zwischen Islamophobie und berechtigter Kritik an der Religion und ihren Trägern nicht immer leicht zu ziehen sein wird: Die tatsächliche Aussagekraft von Religion ist zu untersuchen. Die Debatte sollte an konkreten Fällen geführt werden. Der homogenisierende Blick hat einer differenzierten Wahrnehmung des Islam und der Muslime zu weichen. Die Muslime sind als selbstverständlicher Bestandteil der europäischen Gesellschaften und die Verfassung als Grundlage des Zusammenlebens anzuerkennen. Das wären Grundlagen einer vernünftigen Debatte. (Farid Hafez/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.8.2011)