Manche Reparaturen sind einfacher zu bewerkstelligen als man denkt. Wir zeigen Schritt für Schritt wie's geht.

Unser Mann am Rad ist Andreas Röderer. Seit gut 25 Jahren ist er in der FahrradSelbsthilfe-Werkstatt im Wiener WUK aktiv. Seit Mitte der 1990er-Jahre leitet er die Werkstatt der Cooperative Fahrrad, die uns für die Reparaturserie Tatkraft, Know how und den Raum zur Verfügung stellt.

Foto: derStandard.at/tinsobin

"Die meisten Leute, die glauben, dass sie beim Radfahren einen Achter spüren, haben in Wirklichkeit einen kaputten Reifen", weiß Andreas Röderer. Vor allem ein Gewebeschaden werde oft als Achter wahrgenommen. "Ein schlecht eingestellter Bremsgummi kann die Reifenflanke durchscheuern. Auch längeres Fahren mit zu wenig Luft macht das Reifengewebe mürbe." Zu einem "richtigen" Achter kommt es meistens durch zu große Gewichtsbelastungen, das abrupte Fahren über Kanten oder durch Unfälle.

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Zuerst also ein Kontrollblick: Was wabbelt da eigentlich so? Für kleine Achter braucht man nicht unbedingt einen Zentrierständer (Bild). Sie lassen sich am Rad selbst zentrieren. So auch bei diesem "Patienten".

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Für die Reparatur eines Achters brauchen wir einen Speichenschlüssel. "Es gibt einen Universal-Speichenschlüssel (ganz links im Bild), der sich dadurch auszeichnet, dass er nirgends wirklich gut passt." Deshalb empfiehlt Andreas Röderer den Erwerb eines Speichenschlüssels, der den empfindlichen Vierkant des Speichennippels an allen Seiten fasst und möglichst knapp sitzt (rotes und schwarzes Modell). Mit im Bild: der am Ende der Speiche sitzende Speichennippel, der im Zuge des Zentrierens angezogen wird.

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Andreas Röderer zum Wesen der Speichen: "Die Speiche ist wie eine lange Schraube, der Nippel die dazu passende Mutter. Auf jeder sind 50 bis 100 Kilogramm Zugkraft. Einerseits ziehen die Speichen zur Mitte des Rades, andererseits zur Seite. So stabilisieren sie das Rad. Das Laufrad soll einerseits rund laufen, andererseits die Belastungen tragen."

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"Mit Hilfe meiner Bremsbeläge kann ich den Achter analysieren. Dafür drücke ich den Bremsgummi dicht an die Felge, drehe das Rad und schaue genau wie die Abstände sind und wo es schleift." In unserem Fall ist ein deutlicher "Seitenschlag" festzustellen: Es "eiert" nach links und rechts. Achter, die sich über größere Bereiche des Laufrades abspielen, kann man in der Regel gut zentrieren, Achter, die sich sehr stark an einer Stelle abspielen, deuten eher auf einen Felgenschaden hin.

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"Achter, die scheinbar von selbst kommen und nicht durch Gewalteinwirkung, können durch zu locker gespannte Speichen verursacht werden. Aber meistens entstehen sie durch Überlastung. Da kann sich sogar die Felge verbiegen und das bekommt man auch mit dem Speichen-Nachspannen nicht mehr hin. Das macht nur als Notfallmaßnahme Sinn, um das Rad noch ein Stück weit fahren zu können", weiß der Werkstattleiter.

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"Jetzt drücke ich immer zwei Speichen zwischen den Fingern und dem Handballen fest zusammen. So bekommt man ein Gefühl für die Spannung und kann feststellen, ob eine Speiche gerissen ist. Das ist oft von außen mit dem Auge nicht erkennbar. Ich schaue also, ob die Speichen gleichmäßig gespannt sind."

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Wie bemerke ich, ob eine Speiche zu locker ist? Durch den Drucktest und den Widerstand beim Anziehen mit dem Speichenschlussel. "Da die meisten Laufräder eher schwach gespannt sind, sollte man zum Zentrieren die Speichen prinzipiell nachspannen und nicht lockern. Das hat viel mit Gespür und mit Beobachtung zu tun", sagt Andreas Röderer.

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Wenn die Felge keine Hohlkammer hat, sollte man vor dem Zentrieren die Luft ablassen, damit die Speichennippel beim Drehen nicht den Schlauch durchlöchern. Dann wählt man den am besten sitzenden Speichenschlüssel - in unserem Fall ist es der rote. Ich suche mir die größte "Beule" aus, zum Beispiel eine Welle, die nach links drüben geht, und schaue: Wo beginnt sie, wo hört sie auf? "Hier liegt sie im Bereich von etwa sechs Speichen", analysiert Andreas. "Ich spanne die Speichen auf der gegenüberliegenden - hier der rechten - Seite allmählich nach."

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Zum Spannen einer Speiche dreht man den Speichennippel vom Nippel her gesehen immer im Uhrzeigersinn. "Der Trick besteht darin, kleine Bewegungen zu machen und immer wieder am Bremsgummi nachzuschauen, was sich geändert hat. Ich arbeite mit Achtel- bis Vierteldrehungen, ganz im Kleinen und in vielen Durchgängen", erklärt Andreas. Man bemerkt, dass die Beule sukzessive kleiner wird. Im Falle mehrerer Achter-Stellen abwechselnd die Beulen nach beiden Seiten hin korrigieren.

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Nochmals eine Kontrolle über die Bremsgummis: Nun bewegt sich der Seitenschlag deutlich unter einem Millimeter. "Viele Räder kann man nicht perfekt auszentrieren", sagt Röderer, "aber wenn der Bereich des Seitenschlages unter einem Millimeter liegt, kann man aufhören. Oder weitermachen, bis man merkt, es tut sich gar nichts mehr."

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Letzte Kontrolle des Patienten. Es kann sein, dass die Felge keinen sogenannten "Seitenschlag" sondern einen "Höhenschlag" hat, das heißt, sie eiert rauf und runter: "Aber das ist eine andere und recht komplexe Geschichte. Da müsste man in einem größeren Bereich zentrieren. Allerdings kann man mit einem Höhenschlag viel besser leben als mit einem Seitenschlag", verabschiedet sich Andreas Röderer bis zum nächsten Reparaturworkshop im November. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 02.10.2011)

>> Beim Fahrraddoktor Teil 1: Reifen wechseln, Patschen flicken

>> Beim Fahrraddoktor Teil 2: Bremsen checken, Bremsbeläge wechseln

>> Beim Fahrraddoktor Teil 3: Kette ölen, Kette wechseln

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