Beschützer und Eindringling zugleich: Jeon Do-yeon in dem koreanischen Film "Das Hausmädchen".

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Wien - Die Figur der unschuldigen Dienerin, die von ihrem Hausherren ausgenutzt und gedemütigt wird, ist ein klassischer Topos der Literatur. In Kim Ki-youngs Das Hausmädchen (1960), einem legendären Film der neuen Welle des koreanischen Kinos, wird dieses Prinzip auf raffinierte Weise verkehrt. Das Hausmädchen wandelt sich vom Opfer zur ambivalenten Täterin: Sie verführt den Ehemann und rächt sich bitter für den Umstand, dass dieser sie später zu einer Abtreibung drängt. Am Ende sind die Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf gestellt.

Ging es diesem Melodram in der Tradition des Film noir um eine Kritik bürgerlicher Wohlanständigkeit, so setzt Im Sang-soo in seinem Remake von 2010 bei einer anderen Gesellschaftsschicht an. Statt im immer noch eng begrenzten Eigenheim vollzieht sich das Szenario in einer weitläufigen Villa, dessen blank polierte Oberflächen die Kamera umschmeichelt. Eine Verschiebung mithin zur Oberschicht, die ihren Reichtum eitel zur Schau trägt und deren Arroganz sich auch in der Behandlung des Personals niederschlägt.

Die ausführende Figur ist so nicht länger die Haushälterin Eun-yi, die mit einer Form eigensinniger Zurückgenommenheit von der großartigen Jeon Do-yeon (Secret Sunshine) verkörpert wird, sondern Hoon (Lee Jung-jae), ein aalglatter Geschäftsmann, welcher der neuen Bediensteten nachsteigt und sie gleichsam als sein Eigentum betrachtet. Womit er nicht rechnet, ist die Abgefeimtheit, mit der diese sich in ihre Rolle fügt und sie für ihre eigenen Vorteil zu nutzen versteht.

Regisseur Im Sang-soo belässt es nicht bei dem zentralen Konflikt, sondern führt noch Nebenfiguren ein, die psychologische Schattierungen hinzufügen. Mit der schwangeren Ehefrau Hae-ra (Sae Woo) und deren eiskalt berechnender Schwiegermutter (Park Ji-Young) sieht sich das Hausmädchen auch einer weiblichen Front gegenüber, die alles daran setzt, die Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten. Auf weibliche Solidarität kann Eun-yi nicht einmal beim älteren Dienstfräulein hoffen, die ihrerseits Terrain verteidigt.

Es liegt nicht so sehr an diesen Neuerungen als an einer Tendenz zur Übertreibung, dass Das Hausmädchen eine unausgegorene Angelegenheit bleibt. Anstatt Suspense in feinen Dosierungen zu schüren, worauf sich etwa der sinnverwandte Claude Chabrol versteht, setzt Im Sang-soo auf plakative Schauwerte, die den Film allmählich zur Groteske verwandeln. Was legitim wäre, würden sie nicht wie ein Ausweg aus der Ratlosigkeit wirken, das Drama schlüssig zu Ende zu führen.  (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2011)