Wien - Die jüdische Zeitschrift Nu bezeichnet die Kunstuniversität am Wiener Schillerplatz in ihrer aktuellen Ausgabe als "Akademie der verdrängenden Künste". Die Plattform Geschichtspolitik, eine Gruppe von Studierenden und jungen Lehrenden, kritisiert, dass die Akademie im Gegensatz zu vergleichbaren Institutionen - wie etwa der Angewandten - ihre NS-Geschichte bis heute nicht korrekt aufgearbeitet habe.

Stephan Schmidt-Wulffen, der scheidende Rektor, und Beatrix Bastl, seit 2005 Direktorin der Bibliothek wie des Archivs, wiesen die Vorwürfe zurück. Denn bereits 1990 erschien der Sammelband Im Reich der Kunst. Die Wiener Akademie der bildenden Künste und die faschistische Kunstpolitik.

Zudem veröffentlichte Stephan Schmidt-Wulffen im Juni 2010 eine Petition. Darin heißt es, dass die Akademie "unter den Zeichen des Nationalsozialismus massiv an antisemitischen Handlungen mitgewirkt" hat: Sie wurde von jenen Menschen "gesäubert", die als "jüdisch" oder "jüdisch versippt" galten. Bereits am 13. März 1938 suspendierte die kommissarische Leitung, der u. a. Ferdinand Andri angehörte, mehrere Professoren, darunter Erich Boltenstern und Clemens Holzmeister.

In der Folge forderte sie, auch den Schillerplatz, "judenrein" zu machen". Denn dieser war von der Verordnung ausgenommen, die den Juden verbot, öffentliche Parkanlagen zu betreten. Anfang 1939 war das Rektorat erfolgreich.

Für die Mittäterschaft der Akademie an NS-Verbrechen fehlen, wie Schmidt-Wulffen bedauert, am Schillerplatz sämtliche Spuren. Hingegen steht ebendort ein Denkmal für den NS-Dichter Josef Weinheber. Im Namen der Akademie forderte Schmidt-Wulffen daher die Stadt Wien auf, den Schillerplatz umzugestalten: "Erstens sollte die Büste für Weinheber entfernt und die Leerstelle mit entsprechenden Informationen über seine nationalsozialistische Vergangenheit ergänzt werden. Und zweitens sollte ein Zeichen für die Vertreibung der Juden und Jüdinnen von der Akademie und vom Schillerplatz gesetzt werden."

Geschehen ist nichts. Aber auch in der Akademie selbst ging nichts weiter: Noch immer ist Weinheber Ehrenmitglied, zu dem er 1942 ernannt wurde. Eva Blimlinger, ab 1. Oktober Rektorin, kündigte im Gespräch mit dem Standard an, sich die Ehrenmitgliedschaften "genau anschauen" zu wollen: "Weinheber wäre diese jedenfalls aus meiner Sicht abzuerkennen. "

Anzunehmen ist, dass Blimlinger, stellvertretende Vorsitzende des Rückgabebeirats, auch die Provenienzforschung intensivieren wird. Bekanntlich setzte diese in den Bundesmussen 1998 ein. Und bereits 2003 veröffentlichte die Nationalbibliothek einen Bericht mit mehr als 25.500 bedenklichen Erwerbungen aus der NS-Zeit; nahezu alle wurden bereits restituiert. An der Akademie-Bibliothek jedoch entschloss man sich erst kürzlich, die Erwerbungen aus der NS- und Nachkriegszeit (etwa 15.000 Medien) zu überprüfen. In der Hauszeitung die bildende kündigte Direktorin Bastl an, das Projekt erst in fünf Jahren abgeschlossen zu haben.  (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2011)