Tomaz Pandur bearbeitet Leo Tolstoi.

Foto: Naranjo

Die Eröffnungsproduktion ist vakant.

Maribor/Klagenfurt - Vor gut zwei Jahren präsentierte der Bürgermeister von Maribor den Theaterstar Tomaz Pandur als Zugpferd der europäischen Kulturhauptstadt 2012. Kulturhauptstadt-Erfahrung hat der Theatermacher schon 1997 im griechischen Thessaloniki gesammelt, als er mit dem exjugoslawischen Rockmusiker Goran Bregovic für die dortige Abschlussveranstaltung verantwortlich zeichnete.

Jetzt wollte Pandur Maribor von seinen kleinstädtischen Fesseln befreien, und das im gewohnt großen Stil. Zur Erinnerung: Pandur, bis 1995 Leiter des Mariborer Nationaltheaters, hatte, als seine Göttliche Komödie zu den Salzburger Festspielen geladen wurde und er keinen geeigneten Spielort fand, kurzerhand das Publikum mit gecharterten Flugzeugen der Adria Airlines nach Maribor einfliegen lassen. Seit seiner Bestellung hagelte es mediale Kritik. Pandur bekomme für die Projektberatung 23.000 Euro und es gebe praktisch keine Gewaltentrennung beim Projekt Maribor 2012.

Neben der programmatischen Leitung des einjährigen Festivals wollte Pandur der Kulturhauptstadt durch zwei Regiearbeiten seinen Stempel aufdrücken. Die Oper Masken/Maske des slowenischen Komponisten Marij Kogoj soll das Festival am 14. Jänner feierlich eröffnen.

Es wurden kritische Stimmen laut, dass der für das Projekt hauptverantwortliche Pandur wegen seiner europaweiten Engagements bisher kaum in Maribor gesehen worden sei; programmatisch stünde man ein paar Monate vor der Eröffnung am Anfang. Eine ausgereifte Idee dabei ist, dass jeder Monat des Mariborer Kulturhauptstadtjahres einer Größe aus Kultur oder Philosophie gewidmet wird. In einem Thinktank mit Kulturgrößen wie Rebecca Horn, Haruki Murakami, Vargas Llosa, David Lynch oder Kevin Spacey will man visionäre Impulse in die Welt schicken.

Aus dem wird in dieser Form wohl nichts. Tomaz Pandur ist bereits von der Programmleitung des Festivals zurückgetreten. Es obliegt nun Programmdirektor Mitja Cander, das Projekt eigenständig voranzutreiben. Die Verantwortlichen für die Eröffnungsoper Masken/Maske ließ Pandur per E-Mail wissen, dass er sich gedanklich von der Kulturhauptstadt entfernt habe und die geplante Regiearbeit zurücklege. Tolstois Krieg und Frieden will Pandur aber realisieren, allerdings in Zagreb, obwohl diese Koproduktion auch mit Geldern aus dem Kulturhauptstadt-Budget finanziert wurde. Die Tolstoi-Bearbeitung hat Pandur in zwei Vorstellungen angelegt, die sich wie zwei Flügel eines Diptychons gegenseitig betrachten.

Pandurs Götterdämmerung wurde im Rahmen des Festivals Ljubljana in den Krizanke gezeigt. Die Koproduktion des Pandur Theaters und des Madrider Teatro Español lehnt sich in der sechsten Produktion seines Spanien-Zyklus am Film Die Verdammten von Luchino Visconti an. Pandurs Götterdämmerung zeichnet in klarer Schwarz-Weiß-Ästhetik, durchtränkt mit Videoprojektionen, den Aufstieg und Fall der kapitalistischen Familie von Essenbeck nach. Livija Pandur, Schwester und Dramaturgin des Theatermagiers, meint, dass bislang keines der Stücke in solchem Maß Aufschluss über Pandurs Kunstwollen gegeben habe wie diese Produktion. Der Regisseur thematisiert die Folgen von gesellschaftlichen Umstürzen und sexuellen Perversionen. Besetzt hat Pandur die Götterdämmerung u. a. mit der spanischen Schauspielerin Belén Rueda. Den korrumpierten Martin von Essenbeck (im Film: Helmut Berger) gibt der TV-Star Pablo Rivero, der sich allabendlich in den neuzeitlichen Hamlet verwandelt.

Die atemberaubende Produktion ist in dieser Saison noch in Barcelona und Madrid zu sehen. Pandurs nächste Regiearbeit für Zagreb und in Folge auch für Maribor 2012 wird von Publikum und Kritik voll Spannung erwartet.  (Sabina Zwitter / DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2011)