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"Mr. Euro" Jean-Claude Trichet erhöht den Leitzins nicht.

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Frankfurt - Eine dritte Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) noch in diesem Jahr ist trotz der neuen Eskalation der Schuldenkrise und anhaltender Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht vom Tisch. Zugleich deutet sich an, dass die EZB aus Sorge um Spanien und Italien wieder am Anleihemarkt eingreift. Auch verbessert sie die Versorgung des Bankensystems wieder.

Die Notenbank beobachte die Entwicklung der Preise weiter "sehr genau", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag nach einer turnusmäßigen Sitzung des EZB-Rats in Frankfurt. Mit dieser Formulierung signalisiert die Notenbank normalerweise, dass sie auf Sicht von zwei bis drei Monaten die Zinsen erhöhen könnte - allerdings ohne sich konkret festzulegen. Trichet machte alle künftigen Entscheidungen von der Entwicklung an den Märkten und den ökonomischen Rahmenbedingungen abhängig: die jüngsten Daten zeigten allerdings eine gewisse Verlangsamung der Konjunktur.

Zuletzt hatte es am Finanzmarkt Spekulationen gegeben, die Währungshüter könnten ihren im April eingeschlagenen und im Juli fortgesetzten Kurs der Zinserhöhung unter- oder gar abbrechen.

Bei seiner August-Sitzung, die wegen der Finanzprobleme Spaniens und Italiens viel Aufmerksamkeit genoss, beließ der EZB-Rat den Leitzins für die 17 Euro-Länder bei 1,5 Prozent. Die Notenbanker halten zudem ihre Rundumversorgung des Finanzsystems mit frischer Liquidität bis mindestens Mitte Jänner 2012 aufrecht. Dies erleichtert den unter der Krise leidenden Banken das Leben.

Gegen die Vertrauenskrise

Auch gibt die EZB den Geldhäusern bessere Planungssicherheit und beugt einer großen Vertrauenskrise am Geldmarkt vor. Sie packt dafür ein eigentlich längst weggelegtes Instrument wieder aus: Am 10. August wird die Zentralbank den Geschäftsbanken zusätzlich für sechs Monate Geld leihen - zu einem an die Leitzinsentwicklung gekoppelten Zinssatz. Trichet sagte, dies sei "angemessen" angesichts der neuen Spannungen in einigen Märkten.

Trichet deutete an, dass die EZB auf Forderungen eingehen könnte, am Markt für Staatsanleihen zugunsten der unter Druck stehenden Länder Spanien und Italien zu intervenieren. Er wäre nicht überrascht, wenn am Bondmarkt Entsprechendes zu erkennen wäre, sagte er. In geldpolitischen Kreisen der EU hieß es unterdessen, die EZB kaufe portugiesische und irische Papiere an, habe aber keine Pläne für den Kauf von Staatsanleihen aus anderen Ländern.

Heftig umstrittenes Programm

Trichet sagte, er habe nie behauptet, dass das Programm stillgelegt sei; es laufe weiter. "Man wird kommenden Montag sehen, was die EZB getan hat", sagte der Notenbankchef. Die EZB veröffentlicht jeden Montag Details zu ihrem Engagement an den Bondmärkten. Bisher hat sie für 74 Mrd. Euro Anleihen von Irland, Portugal und Griechenland gekauft. Seit März war sie jedoch nicht mehr aktiv. Trichet sagte, der EZB-Rat diskutiere bei jedem Treffen über das - vor allem in Deutschland - heftig umstrittene Programm.

Nach der Ankündigung weiterer Anleihekäufe durch die Zentralbank haben die Kurse der zehnjährigen italienischen Anleihen zugelegt. Die Renditen gingen auf knapp über sechs Prozent zurück und der Risikoaufschlag (Spread) zu den entsprechenden deutschen Titeln verengte sich auf 357 von zuvor 379 Basispunkten. Auch die Spreads der spanischen und portugiesischen Anleihen verringerten sich. Rentenhändlern zufolge kaufte die EZB am frühen Nachmittag portugiesische und irische Anleihen am Sekundärmarkt auf.

Ausverkauf an den Börsen

Die zurückhaltenden Trichet-Äußerungen zu den wirtschaftlichen Aussichten haben die Verkäufe an den europäischen Aktienmärkten verstärkt (siehe dazu die Marktberichte). Der deutsche Leitindex DAX fiel auf ein neues Zehn-Monats-Tief, der EuroStoxx50 notierte so tief wie seit 14 Monaten nicht mehr. Der heimische Leitindex ATX schloss rutschte 3,49 Prozent im ab.

Auch die Wall Street hat am Donnerstag einen der schwersten Tages-Verluste seit Jahren erlitten. Nach der kurzen Erholung am Mittwoch schlossen alle drei großen Indizes an der Wall Street mehr als vier Prozent im Minus. Analysten verwiesen auf die Schuldenkrise in Europa sowie auf Anzeichen, dass die US-Wirtschaft zum Stillstand gekommen sei. Auch die überraschend starken Quartalszahlen der Opel-Mutter General Motors und die von Börsianern begrüßte Aufspaltung von Kraft konnten an der schlechten Gesamtstimmung nichts ändern. (Reuters/red, derStandard.at, 6.8.2011)