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Spanischen und italienischen Anleihen geht es wie Eis im Sommer: Sie schmelzen dahin. Im Gegenzug klettern die Zinsen täglich auf neue Rekordwerte. Spaniens Premier Zapatero musste angesichts der Krise sogar seinen Urlaub unterbrechen.

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Die Zinslast hat ein Niveau erreicht, das langfristig nicht mehr zu finanzieren ist.

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Rom/Wien - Italien und Spanien sind bald dort, wo Griechenland, Irland und Portugal nie hinwollten: bei einer unfinanzierbaren Zinslast. Für zehnjährige Staatsanleihen mussten die Italiener am Dienstag 6,25 Prozent und die Spanier 6,45 Prozent bieten. Das ist nur mehr knapp unter dem Level, bei dem Griechen und Co unter den Euro-Rettungsschirm flüchten mussten. Die Risikoaufschläge gegenüber deutschen Anleihen haben den höchsten Stand seit Einführung des Euro erreicht.

Besonders dramatisch ist die Entwicklung in Italien. Seit Anfang Juli sind die Zinsen um 1,2 Prozentpunkte gestiegen. Zur Orientierung: Heuer und 2012 werden rund 278 Milliarden Euro an neuen Anleihen begeben. Die jährlichen Mehrkosten durch den jüngsten Zinsanstieg liegen bei enormen 3,4 Milliarden Euro.

Hält der Trend an, werden weitere Sparmaßnahmen nötig sein, um die Budgetziele zu erreichen. Erst vor zwei Wochen wurde ein neues 48-Milliarden-Sparpaket verabschiedet.

Premier Silvio Berlusconi, der sich zuletzt wochenlang nicht in der Öffentlichkeit gezeigt hatte, beugt sich nun dem Druck seiner engen Mitarbeiter: Heute, Mittwoch, spricht er im Parlament zur kritischen Wirtschaftslage. Koalitionspartner Lega Nord sowie Finanzminister Giulio Tremonti erfuhren erst aus den Medien vom Auftritt und halten diesen für "politischen Selbstmord".

Auch Börsenexperten bezweifeln, dass der Regierungschef die Marktturbulenzen aufhalten kann. Die Mailänder Börse fiel am Dienstag auf ein 27-Monats-Tief. Allein im Juli brach der Leitindex um 13 Prozent ein. "Die Glaubwürdigkeit der Regierung ist dahin. Ohne weitere Sofortmaßnahmen riskieren wir das Schicksal Portugals und Irlands", so der Ökonom Stefano Micossi. Am Dienstag traf Tremonti Vertreter der Börsenaufsicht und Notenbank zu einer Krisensitzung.

Unterdessen hat die Korruptionsaffäre um Tremontis Berater Marco Milanese die Kluft zwischen dem Minister und dem Premier weiter vertieft. Tremonti soll in den kommenden Tagen vor den Staatsanwälten aussagen. Er hat zugegeben, seinem Mitarbeiter für eine Luxuswohnung in Rom monatlich 4000 Euro Schwarzgeld ausgehändigt zu haben: "Ein Fehler, aber keine Gesetzeswidrigkeit", wie er meint. Die Affäre könnte Italiens obersten Sparkommissar das Amt kosten. Sozialminister Maurizio Sacconi wird bereits als Nachfolger gehandelt.

Auch Opposition unter Druck

Mit Widrigkeiten hat auch der oppositionelle Partito Democratico zu kämpfen, nach Umfragen derzeit stärkste Partei. Einer der Spitzenvertreter, Filippo Penati, steht auch unter Korruptionsverdacht: Er soll als Präsident der Provinz Mailand und Bürgermeister der Industriegemeinde Sesto San Giovanni mehrere Millionen an Bestechungsgeldern kassiert haben. Der 57-Jährige ist bereits als Vizepräsident der Lombardei zurückgetreten. Kommentar des Corriere della Sera: "Die Verseuchung des öffentlichen Lebens hat erschreckende Ausmaße erreicht."

Die EU-Kommission zeigte sich angesichts der negativen Entwicklungen in Spanien und Italien um Beruhigung bemüht. Beide Länder befänden sich auf dem richtigen Weg. Investoren sehen das anders. Sie beunruhigt, dass der Rettungsschirm auch nach der Aufstockung auf 440 Milliarden Euro zu klein wäre, um die drittgrößte (Italien) oder viertgrößte (Spanien) Wirtschaft der EU aufzufangen. Und: "Der Markt fürchtet, dass die Welt in die Rezession zurückfällt, und die Staaten der europäischen Peripherie würden darunter am stärksten leiden", sagt ING-Stratege Alessandro Giansanti. (Gerhard Mumelter aus Rom, Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2011)