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Italiens Finanzminister Giulio Tremonti steht wegen ungeklärter Finanzierung einer Wohnung in Rom mit dem Rücken zur Wand: "Ich habe die Italiener nicht bestohlen", rechtfertigt er sich.

Foto: Reuters/Gentile

Als ob die wirtschaftlichen Kalamitäten nicht schon arg genug wären: Nun gerät Italien auch in den Sog einer Vertrauenskrise mit unabsehbaren Rückwirkungen auf die Wirtschaft. Diese dürfte im dritten Quartal stagnieren.

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Die letzte Juliwoche wird als Horror in die italienische Finanzchronik eingehen. Der Zinsabstand zwischen deutschen Bundesanleihen und italienischen Schatzscheinen hat vorigen Freitag erstmals 330 Basispunkte erreicht. Der Staat bietet für seine zehnjährigen Bonds eine Verzinsung von mehr als sechs Prozent an. Der Aktienindex an der Mailänder Börse gab im Wochenvergleich weitere sieben Prozent nach.

Ausschlaggebend für die Finanzkrise ist nicht nur die hohe Staatsverschuldung Italiens, die bei 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steht. Es handle sich auch um eine Vertrauens- und Wachstumskrise, sagte Tito Boeri, Ökonom an der Bocconi-Universität, zur Entwicklung der letzten Tage.

Die Vertrauenskrise spitzt sich zu, nachdem Finanzminister Giulio Tremonti in das Kreuzfeuer von Korruptionsgerüchten geraten ist. Die Staatsanwaltschaft von Neapel ermittelt gegen Tremontis langjährigen, inzwischen zurückgetretenen politischen Berater, Marco Milanese. Dieser wird nicht nur der Korruption, sondern auch der Bekanntgabe von Staatsgeheimnissen und des Betrugs verdächtigt.

Tremonti stark unter Druck

"Die Beziehungen zwischen Tremonti und Milanese sind unklar", heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Tremonti wird beschuldigt, er habe sich die Miete für die Wohnung im Zentrum Roms - monatlich 10.000 Euro - von Unbekannten zahlen lassen. Angeblich handle es sich dabei um Schwarzgeld. "Ich werden den Finanzminister nicht verteidigen", sagte Regierungschef Silvio Berlusconi. Und selbst Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord meinte, dass sein Parteikollege Tremonti als Haushalts-und Finanzminister "zu viel Macht habe".

"Ich habe die Italiener nicht bestohlen", rechtfertigte sich der Minister kürzlich im TV. Tremonti ist - zumindest im Ausland - als jener Finanzpolitiker Italiens bekannt, der den Haushalt unter Kontrolle hält. Nun ist sein Image angepatzt. Denn die Wirkung seines vor zwei Wochen erlassenen Sparpakets, ist bereits verpufft. Es hat nicht ausgereicht, um das Vertrauen der internationalen Märkte zurückzugewinnen.

Nullwachstum im dritten Quartal

Die Finanz- und Vertrauenskrise wirft auch Schatten auf die Konjunktur. Der Industriellenverband Confindustria hat für das dritte Quartal Nullwachstum prognostiziert. Die Industrieproduktion ist im Juli gesunken. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Prometeia zweifelt inzwischen an der heurigen Ein-Prozent-Wachstumsprognose. Denn der Inlandskonsum stagniert weiterhin auf niedrigem Niveau. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.8.2011)