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Im August 2010, als dieses Foto vor dem Atatürk-Mausoleum in Ankara enstand, war die Welt für die türkische Generalität noch (fast) in Ordnung.

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Isik Kosaner, zurückgetretener Generalstabschef.

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Gendarmerie-Chef Necdet Özel, vermutlich Erdogans neuer Mann an der Armeespitze.

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In der Türkei haben die ranghöchsten Militärs des Landes ihre Ämter niedergelegt. Neben Generalstabschef Isik Kosaner, der erst 2010 für drei Jahre auf seinem Posten ernannt worden war, baten auch Heereskommandant Erdal Ceylanoglu, Marinekommandant Esref Ugur Yigit und Luftwaffenchef Hasan Aksay am Freitag um die Versetzung in den Ruhestand. Der in der Geschichte der Türkei einzigartige Massenrücktritt der Armeespitze ist Folge anhaltender Spannungen zwischen den säkularistischen Militärs und der religiös-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. 

Eingeständnis der Niederlage gegen Erdogan

Die Rücktritte der Armeekommandanten werden als Protestaktion der Militärs gesehen, die seit 1960 vier Regierungen in der Türkei von der Macht verdrängt haben - aber auch als Eingeständnis einer Niederlage im Machtkampf gegen die Regierung.

Die Generäle reichten ihre Pensionierungsanträge drei Tage vor der halbjährlichen Sitzung des Hohen Militärrats (YAS) ein, bei dem es um die Beförderung hoher Offiziere gehen sollte. Erdogan, der das Gremium zusammen mit dem Generalstabschef leitet, hatte laut Pressemeldungen in Vorgesprächen mit den Militärs klar gemacht, dass er keine Beförderung von Offizieren abzeichnen werde, denen die Verwicklung in Putschpläne gegen seine Regierung vorgeworfen wird.

Derzeit müssen sich fast 200 aktive und pensionierte Armeeangehörige wegen Putschvorwürfen vor Gericht verantworten; 43 Generäle befinden sich in Untersuchungshaft. Darunter ist auch ein Vier-Sterne-General, der eigentlich das Kommando über die Luftwaffe übernehmen hätte sollen. Obwohl noch niemand verurteilt wurde und die Offiziere demnach offiziell als unschuldig gelten, wollte Erdogan, dass die YAS ein politisches Signal gegen illegale Umtriebe in der Armee setzt. Erst am Donnerstag hatte er gegenüber Journalisten gesagt, er erwarte keine Probleme bei der YAS.

Seit dem Amtsantritt der religiös-konservativen AK-Partei im Jahr 2002 ist die Stellung der Armee aber erheblich geschwächt worden.

Freitagabend konferierten Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül mit dem einzigen noch verbliebenen Mitglied des Generalstabs, dem Gendarmerie-Kommandant Necdet Özel. Möglicherweise soll Özel zum neuen Generalstabschef ernannt werden.

Anders als in den Streitkräften der USA oder Westeuropas hatten die Militärs in der Türkei lange Zeit selbst und ohne Einmischung der gewählten Regierungen über die Postenverteilungen in der Armee entschieden. Erst Erdogans Regierung machte damit Schluss: Im vergangenen Jahr endete ein Streit über Beförderungen bei der YAS mit einem Rückzug der Generäle.

Doch das damalige Treffen war nichts im Vergleich zum derzeitigen Drama: „Es ist ein politisches Erdbeben", meinte die Kolumnistin Asli Aydintasbas.

Spekuliert wird auch, der Massenrücktritt sei möglicherweise auch eine Reaktion auf Pläne der Regierung zur Neuordnung des Kampfes gegen die kurdischen PKK-Rebellen: Seit dem Tod von 13 Soldaten bei einem PKK-Gefecht Mitte Juli, nach dem die Armee taktische Fehler einräumen musste, denkt die Regierung laut über eine Verlagerung der PKK-Bekämpfung von der Armee auf die Polizei nach. (red/APA, stui/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2011)