Das Magistrat ist gesprächsbereit. Pharmazeuten fürchten um gut eingespielte Notdienste.

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Wien - Die Debatte um längere Öffnungszeiten bei den Wiener Apotheken dürfte so rasch nicht abreißen. Nicht nur wegen zweier Apotheker, die damit die Justiz befassen wollen. Auch von der Kammer heuer in Auftrag gegebene Studien nähren den Konflikt um den gesetzlich vorgeschriebenen Ladenschluss Samstag um zwölf Uhr.

Marktforscher Hoffmann & Forcher befragte dazu im Februar tausend Wiener. Anders als von vielen der Branche bisher dargestellt, sprachen sich zwei von drei für eine weitere Liberalisierung aus, auch wenn es damit bei den Apothekern zu unterschiedlichen Öffnungszeiten käme. Sie erhält unabhängig von Geschlecht und Alter mehrheitlich den Vorzug.

"Nicht zeitgemäß"

Vor allem Wiener unter 40 Jahren empfinden die bestehende Regelung weder als zeitgemäß noch als kundenfreundlich. 45 Prozent plädieren dafür, dass sich Apotheken beim Ladenschluss an die Geschäfte ihrer Umgebung anpassen sollen, 42 Prozent halten es für unnötig. 39 Prozent standen bereits vor geschlossenen Türen, und gut ebenso viele stören sich daran.

Max Wellan hatte als Vizepräsident der Kammer zuletzt noch von großer Zufriedenheit der Kunden mit der bestehenden Regelung gesprochen: Es gebe derzeit keinerlei Druck aus der Bevölkerung.

Offene Fragen

Ilona Leitner, Präsidentin in der Wiener Kammer, sieht das Thema differenzierter. Es gebe sehr wohl Bedarf an Diskussionen und neuen Lösungen, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Ihr sei durchaus bewusst, dass Kollegen in gut frequentierten Lagen nicht immer glücklich mit der aktuellen Situation seien. Sie sei offen für mehr Flexibilität, auch bei der Abendöffnung - aber unter der Voraussetzung, dass sich auch die Mehrheit der Kammermitglieder dafür ausspreche und keiner zum Länger-Offenhalten gezwungen werde. Zuletzt seien 60 Prozent dagegen gewesen, das habe eine Umfrage im November gezeigt. "Es gibt zu viele offene Fragen bei den Kollektivverträgen und Dienstplänen."

Leitner sorgt sich vor allem um die verpflichtenden Not- und Bereitschaftsdienste. Es sei ein bestens funktionierendes System - es durch eine längere Ladenöffnung zu gefährden, dürfe keiner riskieren. "Damit wäre der Preis für die stärkere Liberalisierung zu hoch."

Rebellen werden mehr

Entscheidend sei, dass die Medikamentenversorgung einwandfrei laufe, was sie tue, sagt Renate Christ, Leiterin der zuständigen Magistratsabteilung. Alles andere sehe sie aus Sicht der Gesundheitsbehörde leidenschaftslos. Sie sei bereit für Gespräche über längere Ladenöffnung, warte dabei jedoch auf einen Zuruf der Kammer.

Die Apotheke am Wiener Graben, die seit zehn Jahren Samstagnachmittag wider das Gesetz offen hält, "hat einfach Glück gehabt, nicht erwischt worden zu sein". Die Anzeige sei erst vor kurzem nach informellem Hinweis erfolgt. Zu sehr spielen sollte man sich damit nicht, rät Christ in Hinblick auf die wachsende Zahl an Rebellen. Nach zwei Verwaltungsstrafen wackle die Konzession. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.7.2011)