Johannes Steyrer.

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Nach dem Tod Jörg Haiders brachte der Landeshauptmann von Kärnten - Gerhard Dörfler - die kollektive Gefühlslage mit den glorifizierenden und apokalyptischen Worten auf den Punkt: "Die Sonne ist vom Himmel gefallen!" Bis heute sind die Kerzen am Unfallort nicht erloschen. Haider war charismatischer Verkünder und eitler Narzisst in einem - glänzender Rhetoriker mit sicherem Instinkt für richtige Themen und skrupelloser Machtmensch zugleich. Einer, der mit dem Feuer spielte und über politische Leichen ging. Wie hängen Narzissmus und Erfolg zusammen?

Narzissten weisen ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit auf. Sie werden beherrscht von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Reichtum, Schönheit und glauben, etwas Besonderes zu sein. Ihr Verlangen nach Bewunderung ist übermäßig. Zudem legen sie eine arrogante Anspruchshaltung an den Tag. In zwischenmenschlichen Beziehungen sind sie ausbeuterisch und nutzen andere aus, um eigene Ziele zu erreichen. Ihre Empathie anderen gegenüber ist eingeschränkt. Nirgendwo sonst lässt sich dieses Bündel an Merkmalen besser einsetzen als an der hierarchischen Spitze. Nur dort wird das zur Tugend, was andernorts auf blanke Ablehnung stößt.

Wir haben den Narzissmusindex von Führungskräften mit demjenigen von Mitarbeitern verglichen. Führende wiesen, wie vorhergesagt, überall höhere Werte auf. Nur die Dimension "Eitelkeit" unterschied sich nicht signifikant, was nicht überrascht, denn wer gibt schon gerne zu, sich des Öfteren im Spiegel zu bewundern. US-amerikanische Studien gingen einen Schritt weiter. Sie nahmen als Narzissmus-Indikatoren von CEOs u. a. die Häufigkeit und Größe ihrer Fotos in Jahresberichten oder die Verwendung des Personalpronomens "Ich" in Interviews. Der so gemessene CEO-Narzissmus korrelierte hoch positiv mit dynamisch-offensiven Strategien ihrer Unternehmen und der Anzahl und Größe von Akquisitionen. Allerdings wies der Unternehmenserfolg große Schwankungen auf. Ob "top" oder "Flop" ist also schwer vorhersehbar, wenn sich Organisationen auf einen Ego-Trip begeben.

Was fasziniert an Narzissten? Freud meinte, dass wir in unserer frühesten Kindheit eine Phase durchlaufen, in der wir uns als "Mittelpunkt der Welt" wähnen, als "Kern der Schöpfung". Im Allgemeinen müssen Menschen diese unbeschränkte Selbstbezogenheit aufgeben. Narzissten tun das nicht. Wir bewundern in ihnen also das, was wir selbst einmal waren und als seligen Idealzustand vor uns hinprojizieren. Organisationen werden, so viel ist klar, auch von Größen-Selbst ihrer zentralen Akteure vorangetrieben. Dabei sind die Grenzen zwischen starkem Ego und destruktivem Größenwahn fließend. Eine Demarkationslinie liegt in der Frage, ob das betreffende Ego den alleinigen Platz am Firmament für sich beansprucht oder ob es auch andere "strahlen" lässt. Haider heuchelte mit Tränen in den Augen zu Riess-Passer "Susanne, geh du voran", um sie hernach kompromisslos vom Himmel zu kippen. (Johannes Steyrer/DER STANDARD; Printausgabe, 30./31.7.2011)