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Das Lukoil-Hauptquartier in Moskau.

Foto: APA/EPA/Ilnitsky

Seit zwei Wochen sollen sie schon nicht mehr telefoniert haben, und mittlerweile ist auch klar, warum. Der bulgarische Zoll und Finanzminister Simeon Djankov haben die wunderbare Männerfreundschaft zwischen Boiko Borissov, dem Regierungschef, und Valentin Zlatev, dem Generalmanager von Lukoil Bulgarien, ramponiert. Kartenspielen gehörte bisher zu ihrem gemeinsamen Zeitvertreib. "Der Premier sagt, die Karten lügen. Ich sage, lerne erst und spiele dann", sagt Zlatev jetzt. Das kleine Bulgarien hat sich mit dem russischen Monopolisten angelegt und wie das nun ausgehen soll, ist nicht klar. Seit Mittwoch ist jedenfalls die Lizenz von Lukoil für Treibstofflager und Ölterminal am Schwarzmeerhafen Burgas weg. Heute gehen die Lichter in der Raffinerie Lukoil Neftochim aus. Es ist die einzige funktionierende Raffinerie im Land.

Die bulgarische Zollbehörde mit Vanjo Tanov an der Spitze hat eine ordentliche Ansage gemacht: Lukoil, der größte Steuerzahler der Balkanrepublik und mit weitem Abstand - zu 80 Prozent, heißt es, aber die bulgarische Regierung bestreitet das - der Hauptproduzent für Treibstoff in Bulgarien, ist auch der derzeit vermutlich größte Betrüger im Land. Neben Ölterminal, Raffinerie und Lager betreibt Lukoil an die 200 Tankstellen in Bulgarien und beliefert via Burgas auch die Nachbarländer Mazedonien und Serbien. Jetzt gibt der Konflikt zwischen Behörden und Konzern Einblick in das fantastische Wirtschaftsleben Bulgariens. Seit der Übernahme der staatlichen Raffinerie in Burgas durch die russische Gruppe 1999, also seit dem Beginn des modernen betriebswirtschaftlichen Managements bei Neftochim, ist unklar, was eigentlich in welchen Mengen bei Lukoil Bulgarien produziert wird. Messstellen, die dem Zoll erlauben würden, Steuern festzusetzen, gibt es offenbar nicht. Der Verdacht von Zoll und Finanzministerium: Lukoil produziert weit mehr als deklariert und macht dazu mit fiktiven Öl-Importen extra Profit.

Ins Rollen kamen die Ermittlungen gegen Lukoil durch die dauernden Benzinpreiserhöhungen in Bulgarien seit Jahresbeginn. Konsumentengruppen klagten, Autofahrer demonstrierten und Borissov konnte bei seinem Lukoil-Freund Zlatev nur ein mehrwöchiges Moratorium herausschlagen. Aktuell liegt der Preis für einen Liter Benzin bei 2,56 Leva, umgerechnet 1,31 Euro - eher europäischer Durchschnitt, aber bei 350 Euro Durchschnittseinkommen im Monat sehr viel Geld. Die Zollbehörden gaben Lukoil bis 29. Juni Zeit, die Messstellen einzubauen. Anfang Juli nahmen die Beamten das russische Unternehmen näher unter die Lupe. Weil Lukoil angeblich keine Anstalten machten, den Aufforderungen des Zolls Folge zu leisten, wurde am Mittwoch diese Woche die Lizenz entzogen. Lukoil kann nun klagen oder sich um eine neue Lizenz bewerben - vorausgesetzt natürlich, die Zähler sind an den Pipelines.

Lukoil sagt dies und das zu seiner Verteidigung (dachten, wir hätten Zeit, bis Ende des Jahres, haben doch sowieso schon mit dem Einbau von Messgeräten begonnen, wir zahlen ohnehin schon so viel Steuern), und Manager Zlatev - er stammt aus Pravets, demselben Dorf wie der Langzeitregent der sozialistischen Volksrepublik Todor Schivkov (1954-1989) - hat schon vorgerechnet: 2,9 Millionen Tonnen Treibstoff verbrauchen die Bulgaren im Jahr. Ohne die Lukoil Raffinerie reichen die Vorräte in der Hauptstadt Sofia genau vier Tage, der Flughafen muss sich jetzt schon nach neuen Lieferanten umschauen. Lukoil Aviation verkauft bisher an die Fluggesellschaften.

Alles Unsinn, sagt der Finanzminister. Bei den Flugzeugen könnte es ein wenig eng werden, zugegeben, aber Bulgarien hat sonst Reserven für 160 Tage. Kein Autofahrer muss stehenbleiben. Der Benzinpreis hat sich seit Mittwoch nicht bewegt, doch das - davon ist jeder überzeugt - wird nicht so bleiben. Spätestens wenn alle Lukoil-Tankstellen leer sind, wird der Preis auf die Drei-Leva-Marke zumarschieren.

Lukoil Neftochim in Burgas, 1964 gebaut, ist die größte Raffinerie auf dem Balkan (176.800 Fass Rohöl am Tag). Die Kapazität der von GazpromNeft geführten Raffinerie in Pancevo, Serbien, ist nur etwa halb so groß (96.400 Barrel/Tag), die beiden nächst größten Raffinerien sind in Constanza und Ploiesti in Rumänien (jeweils 90.000 Barrel/Tag) und gehören Rompetrol (oder vielmehr der OMV...).