Südmähren ist hierzulande als nahes Ausflugsziel für Radtouren in unberührter Natur zwischen Flüssen und Weinbergen sehr beliebt. Die zahlreichen Schlösser, Burgen und Klöster laden ebenfalls zu Besichtigungstouren ein. Auch entlang der Böhmisch-Mährischen Höhe (tschech. Vysočina) mit ihrer hügeligen Landschaft gibt es von der UNESCO als Weltkulturerbe prämierte Städte und Kulturdenkmäler zu besichtigen. Wie die Wallfahrtskirche Zelená hora in Ždár nad Sázavou mit ihrer besonderen Architektur.

Foto: Tourismuszentrale Südmähren

Oder die Stadt Telč mit historischem Stadtkern.

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Südmähren und Vysočina beherbergen aber auch noch andere Schätze, die es reichlich zu erkunden gibt. In Třebíč, Bezirksstadt mit knapp 40.000 Einwohnern in der Region Vysočina in Südwestmähren, ist nicht nur die romanisch-gotische St. Prokop-Basilika in die UNESCO Weltkulturerbe-Liste eingetragen.

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Auch das liebevoll rekonstruierte jüdische Viertel steht seit 2003 gemeinsam mit der Basilika auf der berühmten Liste internationaler Denkmäler. Mit seinen 123 Häusern und zwei Synagogen ist es eines der besterhaltenen jüdischen Viertel außerhalb Israels.

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Es wurde im 15. Jahrhundert am linken Ufer des Jihlava-Flusses unterhalb des Sitzes der damaligen Herrscher auf kleinen Parzellen ohne Wirtschaftsgebäude und Garten errichtet.

Foto: Alkan Güler/derStandard.at

Aus- und Zubauten, öffentliche Hausdurchgänge, Schwebebögen und Ecklauben, die dazu dienten den Raum bestmöglich zu nutzen, schufen mit den engen Quergassen eine besonders wertvolle Architektonik.

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Wer durch das jüdische Viertel in Třebíč geht, dem werden bauliche Details wie dieser Balkon auf sieben Kragsteinen des ehemaligen Bürgerhauses von Samuel Rysavy in der Leopolda Pokorneho Straße Nr. 25 auffallen.

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Ein Lehrpfad mit sechzehn Stationen führt durch das jüdische Viertel und stellt wichtige Kulturdenkmäler vor. Im Bild ist das ehemalige jüdische Gemeindehaus zu sehen. Links davon ein typisches Element der damaligen jüdischen Bauart - ein Ecklaubengang mit Stützpfeiler des Josef Sklenar-Hauses, benannt nach seinem früheren Besitzer.

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Auch bei der Hinteren Synagoge, die 1669 gebaut und danach immer wieder im Barock-Stil umgestaltet wurde, fällt der massive Außenstützpfeiler auf.

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Die Wände der Synagoge sind mit hebräisch liturgischen Texten, Rabbinersprüchen und ornamentalen und pflanzlichen Motiven verziert.

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Die Synagoge wurde im 20. Jahrhundert als Lagerhaus für Gemüse genutzt. Erst eine kostenaufwendige Wiederherstellung brachte die Ausmalung des Innenraumes wieder zum Vorschein.

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In den oberen Räumlichkeiten der Hinteren Synagoge, in der sich auch ein Informationszentrum befindet, kann man eine Ausstellung über Geschichte der Gemeinde, Riten und das Alltagsleben der jüdischen Einwohner besuchen.

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Neben Alltagsgegenständen sind auch rekonstruierte Wohnräume der ehemaligen Bewohner zu sehen. Hier ist ein Sabbattisch am Freitagabend nachgebildet.

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Auch ein kleiner Krämerladen wurde detailgetreu rekonstruiert. Bei den meisten jüdischen Bürgerhäusern war das Geschäft oder die Handwerkstatt im Erdgeschoß untergebracht. Die Wohnräume befanden sich im Obergeschoß.

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Die Vordere Synagoge im neugotischen Stil wird seit den 1950ern von der Hussitenkirche genutzt.

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Stadtführungen durch Třebíč beinhalten auch eine Besichtigung des frei zugänglichen jüdischen Friedhofs, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts außerhalb des jüdischen Viertels am Hang über dem Bach Týnský Potok angelegt wurde und der zweitgrößte in Tschechien ist. Die Trauerzeremonienhalle wurde 1903 erbaut.

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Er ist mit seinen über zweitausend Grabsteinen einer der wertvollsten jüdischen Friedhöfe in Mähren.

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Die Grabsteine wurden aus Granit, Marmor oder Muschelkalkstein hergestellt. Die älteren Grabsteine aus Sandstein. Im Bild ist der älteste Grabstein aus dem Jahre 1625 zu sehen. Bis zum 19. Jahrhundert waren die Grabinschriften hebräisch, danach zweisprachig.

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Die südmährische Stadt Mikulov (deutsch Nikolsburg), nahe an der niederösterreichischen Grenze, kann neben bekannten Sehenswürdigkeiten wie der hier abgebildeten St. Wenzel-Kirche ebenfalls auf eine lange bedeutende jüdische Geschichte zurückblicken.

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Hier war einmal die größte jüdische Gemeinde beheimatet. Im Bild sieht man den historischen Stadtplatz von Mikulov mit dem berühmten Sgraffitohaus aus dem 17. Jahrhundert. Bereits im 15. und 16. Jahrhundert siedelten sich aus Prag vertriebene Juden in Mikulov an.

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Bis 1848, als Juden die Bürgergleichberechtigung erhielten, lebten mehr als 3000 Menschen im jüdischen Viertel, das waren rund vierzig Prozent der Stadtbevölkerung. Im Bild ist die Straßenmündung zu sehen, die ins jüdische Viertel führt, und noch im 18. Jahrhundert durch eine Kette die jüdische und die christliche Gemeinde voneinander trennte. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten nur mehr knapp 750 Juden in Mikulov. Die Besetzung Tschechiens durch die Nazis bedeutete schließlich das Ende der jüdischen Gemeinde in Mikulov. Die meisten wurden nach Theresienstadt deportiert.

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Zurück blieben nicht nur ihre Häuser und Synagogen. Auch der zwei Hektar große Friedhof in Mikulov mit den 4000 Grabsteinen, der älteste davon aus dem Jahre 1605, blieb lange Zeit vergessen.

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Erst in den letzten Jahren widmete man sich wieder dem jüdischen Erbe der Stadt. Die Gräber der berühmten Landesrabbiner, deren Grabsteine zu Sowjet-Zeiten noch bei der Errichtung von Denkmälern für gefallene russische Soldaten verwendet wurden, sind wieder hergestellt und werden von jüdischen Pilgern aus aller Welt besucht. In der 1898 vom Wiener Architekten Max Fleischer erbauten Zeremonienhalle gibt es eine ständige Ausstellung über die ehemaligen Landesrabbiner und jüdische Begräbnisrituale.

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Ein Grabstein mit dem symbolischen Motiv segnender Hände der Kohanim. Diese zeigen an, dass der Verstorbene Nachkomme der Kohen, des hohepriesterlichen Stammes unter den Zwölf Stämmen Israels, war.

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Die Weintraube symbolisiert Weisheit und einen Menschen, der zu Lebzeiten viel Gutes tat.

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Manche Besucher des Friedhofs mögen sich vielleicht über das wild wuchernde Gras wundern. Nach jüdischer Tradition ist Grabpflege nicht vorgesehen, unter den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Brünn, die auch den Friedhof in Mikulov verwaltet, wird diskutiert ob das ausufernde Grün entfernt werden sollte oder nicht.

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Auch beim Denkmal an die im ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten ist der Efeu schon mächtig angewachsen.

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"Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen ist", steht auf diesem Grabstein geschrieben.

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Auch in Brünn hat man das jüdische Mähren nicht vergessen. Der jüdische Friedhof im Stadtviertel Židenice, der vierzig Abteilungen und rund 9000 neuzeitliche Grabsteine umfasst, ist ebenfalls einen Besuch wert. Hier befindet sich auch das Touristen- und Informationszentrum der Brünner Jüdischen Gemeinde, das Exkursionen nach Třebíč, Mikulov und zu weiteren jüdischen Gedenkstätten anbietet.

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Der Friedhof ist sehr weitläufig. Hier liegen viele bedeutende Persönlichkeiten wie der Journalist Hieronymus Lorm, der auch das Tastalphabet für Taubblinde entwickelt hat, oder der Schauspieler Hugo Haas begraben.

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Auch prunkvolle Familiengräber gibt es hier zu sehen.

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Die Trauerzeremonienhalle am Friedhofseingang wurde 1900 im neuromanischen Stil von Josef Nebehosteny erbaut.

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Der Zeremoniensaal sticht besonders mit seiner Wandausmalung mit hebräischen Gebeten und ornamentalen Motiven hervor.

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Die Opfer des Holocaust werden mit einheitlichen, unverkennbaren Grabsteinen gewürdigt. Nur knapp 700 der 10.000 deportierten Juden aus Brünn und Umgebung überlebten den Holocaust. Bereits 1950 wurde am jüdischen Friedhof in Brünn ein Denkmal zum Gedenken an die ermordeten Juden während des Holocaust errichtet.

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Auch in Třebíč erinnert man an die jüdische Geschichte. Jedes Jahr wird das Shemajim Festival der jüdischen Kultur veranstaltet. Shamayim ist das hebräische Wort für Himmel. Historische Vorträge, Tanz- und Musikauftritte erwecken an fünf Tagen den Alltag der jüdischen Gemeinde wieder zum Leben. (Güler Alkan/derStandard.at/01.08.2011)

Informationen:
Jüdische Gemeinde Brünn
Touristen-Informationszentrum Mikulov
Tourismus-Büro Trebic

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