Wien - Eine Gemeindereform dürfte nie ohne die Beteiligung der betroffenen Bürger passieren, "sonst kommt da nichts Gescheites heraus", sagt Klemens Riegler, Geschäftsführer des Ökosozialen Forums, im Standard-Gespräch. Das heiße aber nicht, dass Gemeindezusammenlegungen falsch wären, im Gegenteil: "In Österreich hat eine Gemeinde im Durchschnitt 3408 Einwohner, aber dieser Wert ist durch die dabei eingerechneten Großstädte verzerrt. Die Hälfte der Gemeinden hat überhaupt weniger als 1554 Einwohner. Das zeigt, dass wir schon ein Problem haben. Vor allem, wenn man europäische Standards anlegt."

Die größten Gemeinden hat Großbritannien, dort hat eine mittlere Gemeinde 119.500 Einwohner, in Irland sind es 90.800, in Portugal und Schweden 15.500.

Riegler hat vor allem die skandinavischen Länder im Blick, "die machen Verwaltungsreformen meistens sehr gescheit. Bei der Gemeindereform soll man sich zum Beispiel Dänemark zum Vorbild nehmen. Die haben 2007 eine Gemeindezusammenlegung durchgeführt, bei der von 275 nur 97 Gemeinden übriggeblieben sind."

Dabei hatte Dänemark schon in den 1970er-Jahren eine Welle von Gemeindezusammenlegungen, vorher bestanden dort noch 1200 Kommunen.

Zum Vergleich: In Niederösterreich gab es vor 50 Jahren 1652 Gemeinden, nach den Zusammenlegungen der 1970er-Jahre blieben 573 - und in diesem Bundesland wird (im Unterschied zur Steiermark) eine weitere Gemeindezusammenlegung abgelehnt.

Anders in Salzburg, wo man auf Gemeindekooperation statt Zusammenlegung setzt: Dort ist die Zahl der Gemeinden seit 50 Jahren mit 119 gleich geblieben.

Riegler meint, dass man nicht unbedingt die strengen dänischen Vorgaben - keine Gemeinde darf unter 20.000 Einwohner haben - einhalten muss. Wohl aber sollte man dieselbe Ambition zeigen, was die Neuverteilung von Aufgaben und die Finanzierung betrifft: "Bedarfszuweisungen müssten an Kooperationen gebunden werden, denn allein aus Nachhaltigkeitsüberlegungen ergibt sich, dass nur Kooperationen oder größere Einheiten die entsprechende Effizienz haben." Die Dänen haben bei der Schaffung der Großgemeinden auch die Bezirksebene abgeschafft - was in Österreich bisher nicht einmal angedacht wird. Riegler fordert da mehr Mut.

Im Zuge der Bundesstaatsreform könnte den Gemeinden die letztinstanzliche Entscheidung bei Bauverfahren entzogen werden - dafür sollten sie mehr Kompetenz für Gebühren bekommen.(Conrad Seidl, DER STANDARD; Printausgabe, 29.7.2011)