So geht's auch: Goustieren vor dem Plakat

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Schaut echt aus - ist aber ziemlich "plastik"

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Eingekauft wird mit dem Handy.

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In unseren Breiten geht es in Sachen Einkaufen eher um sanfte Anpassungen an geänderte Konsumgewohnheiten. Während die Handelsketten hierzulande mit Convencience-Stores als Nachfolger für die mittlerweile eher ausgestorbenen Greissler aufwarten, Jausen-Ecken sich in den herkömmlichen Verkaufsflächen oder an den Tankstellen breitmachen, große Handelsketten oder kleinere Betriebe Bedarfsartikel auf Knopfdruck nach Hause liefern, probiert es die britische Handelskette Tesco in Korea mit einem radikaleren Konzept.

Wenn die Menschen keine Zeit zum Einkauf im Geschäft haben, kommt das Geschäft eben zum Kunden, lautet die Devise der Briten. Flugs zimmerten sie für die lokale Bevölkerung aus Tesco "Homeplus" und setzten sich ökonomisch ambitionierte Ziele. Nichts geringeres als den Platzhirschen E-Mart will man vom Thron stürzen. Und das mit neuen Ideen. Die setzen, wie viele von den neuen Shoppingüberlegungen beim sich ständig verknappenden Zeitbudget der Menschen an. In Südkorea dürfte diese Rechnung ganz besonders aufgehen, zählt doch die arbeitende Bevölkerung hier zu den ganz fleißigen, was die Arbeitszeit betrifft. Weltweit besetzen die Südkoreaner den löblichen Platz zwei. Zeit ist für die Menschen in Korea vermutlich noch knapper als bei uns.

Virtueller Supermarkt

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hat Tesco seinen Kunden einen virtuellen Supermarkt gebaut. Die Produkte werden ihnen zumindest symbolisch so vor die Nase gesetzt, dass die Menschen-Massen nicht daran vorbeikommen. Beleuchtete und täuschend echt wirkende Banner spiegeln in einer U-Bahn-Station in der Hauptstadt Seoul exakt das gleiche Angebot wieder, wie es im realen Tesco-Shop zu finden ist. Meeresfrüchte, Gemüse, Süßigkeiten - fein säuberlich aufgereiht - müssen nicht eingepackt, zur Kassa bugsiert und dann noch mühsam nach Hause geschleppt werden.

Jede der an der Wand aufgereihten Produkte ist nämlich mit einem sogenannten QR-Code versehen, einem Quadrat aus schwarzen und weißen Feldern, wie es manche Anbieter auch für Online-Tickets nutzen. Wer ein Produkt kaufen will, fotografiert den Code mit seinem Smartphone. Die Ware wird dann in einer Liste gespeichert und anschließend via Smartphone bezahlt. Kommt der Konsument nach Hause sind auch Reis und Co schon da. Geliefert wird nämlich bis zur Haustür.

Die gleiche Strategie ist schon einmal aufgegangen, als Homeplus auf die Eröffnung eines neuen (klassischen) Supermarktes in Seoul aufmerksam machen wollte. In einer nahen U-Bahn-Station waren Säulen und Wände ebenfalls zu virtuellen Regalen mutiert. Allerdings ohne Scannercodes, aber mit ebenso durchschlagendem Erfolg. Es seien sehr viel mehr Menschen in die nahe Filiale gekommen als erwartet, gab die Werbefirma, die sich das ausdachte zu Protokoll.

Aufsteigen ohne neue Filialen

"Können wir von der Nummer zwei zur Nummer eins aufsteigen, ohne die Zahl unserer Supermärkte zu erhöhen?", lautete die Gretchenfrage für den britischen Marktführer. Die dazugehörige Kampagne wurde beim Werbefilmfestival in Cannes mit mehreren Preisen ausgezeichnet. König Kunde könnte dafür rasch Sorge tragen, denn Tesco konnte dank des U-Bahn-Shops den Umsatz im Netz zwischen November 2010 und Januar 2011 um 130 Prozent steigern.

Im Jahr 2003 wurde Tesco übrigens dafür ausgezeichnet, dass sie nach Aldi und Lidl die "effizienteste" Einkaufsmöglichkeit in Europa bietet. Wenn die Briten die Idee nach Europa bringen, können sie sich also nur noch selbst übertreffen. (Regina Bruckner, derStandard.at, 29.7.2011)