Brüssel - Ein Libyer, der durch einen Luftangriff der NATO seine Familie verloren hat, will vor einem belgischen Gericht eine Entschädigung von dem Militärbündnis erstreiten. Die zivilrechtliche Schadenersatzklage wird in Brüssel geführt, weil die NATO dort ihren Sitz hat, wie der belgische Klägeranwalt Ghislain Dubois am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP sagte. Mit der ersten Anhörung in dem Fall rechne er innerhalb von zehn Tagen.

Kläger ist der sich noch immer in Libyen aufhaltende Khaled Hemidi. Seinen Angaben zufolge wurden durch einen NATO-Luftangriff am 20. Juni in der Stadt Sorman seine Frau sowie die drei Kinder des Paares getötet. Dabei handle es sich um zwei Töchter im Alter von vier und fünf Jahren sowie den dreijährigen Sohn. Der NATO-Angriff zielte demnach auf ein Haus vom Vater des Klägers, Khuildi Hemidi, einen Vertrauten von Machthaber Muammar al-Gaddafi.

15 Tote

Das Gebäude in der rund 70 Kilometer westlich der libyschen Hauptstadt Tripolis gelegenen Stadt wurde durch das Bombardement komplett zerstört. Khuildi Hemidi, der sich in einem weniger beschädigten Gebäude in der Nähe aufhielt, überlebte im Gegensatz zu seinen Enkelkindern und seiner Schwiegertochter den Angriff. Nach Angaben der Regierung in Tripolis wurden insgesamt 15 Menschen getötet. Die Bilder von den zerstörten Häusern in Sorman hatten international Aufsehen hervorgerufen.

Die NATO hatte das Bombardement damit begründet, dass in dem Gebäude eine militärische Kommando- und Kontrollstelle untergebracht gewesen sei. Anwalt Dubois bestreitet dies: "Es gab keine militärische Einrichtung in der Nähe." Er begründet die Klage damit, dass die NATO mit dem Bombardement ihr UNO-Mandat für den Einsatz in Libyen verletzt habe.

Die Resolution 1973 des UNO-Sicherheitsrats erlaubt den Militäreinsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Soldaten Gaddafis. Die Truppen des Machthabers befinden sich seit Monaten in einem blutigen Konflikt mit Rebellen aus dem Osten des Landes. Die Aufständischen wurden inzwischen von zahlreichen Ländern, darunter Österreich, als legitime Vertretung Libyens anerkannt.

Die NATO hatte Ende März das Kommando über den gesamten Militäreinsatz in Libyen übernommen. Seitdem flog die Allianz nach Angaben vom Mittwoch fast 16.700 Lufteinsätze, ohne dass es den Rebellen gelang, entscheidend gegen Gaddafi und dessen Truppen vorzudringen. Inzwischen schließen an dem Einsatz führend beteiligte Länder wie Frankreich und Großbritannien es nicht mehr aus, dass Gaddafi in dem Land bleiben kann und nicht ins Exil gehen muss, um den Konflikt zu beenden. (APA)