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Die Tiroler mit ihren Schützen sind anders als andere Österreicher: Für sie steht die Landesidentität im Vordergrund. Im Rest des Landes fühlen sich die meisten Menschen zuerst als Österreicher und erst dann als Bürger ihres Bundeslandes.

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Föderalismusforscher Franz Fallend.

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Das erklärt auch den geringen Grad an Dezentralisierung.

Die Bundesländer spielen in der österreichischen Politik eine zentrale Rolle – für viele Bürger und Landespolitiker eine positive, für jene, die sich Einsparungen in der Verwaltung wünschen, eine problematische. Doch alle würden die Bedeutung des Föderalismus in Österreich überschätzen, denn dieser sei nicht so ausgeprägt wie behauptet, sagt der Politikwissenschafter Franz Fallend von der Universität Salzburg. Er spricht von einem international "untypischen föderalen System", das wenig von den Vorteilen einer tiefgreifenden Dezentralisierung mit sich bringt.

"Unsere Länder haben wenig Kompetenz bei der Gesetzgebung und sind nur in der Verwaltung stark," sagt Fallend im STANDARD-Gespräch. "Bei uns haben die Länder viel weniger zu sagen als in der Schweiz oder in Deutschland. In Reden wird der Föderalismus zwar vehement verteidigt, aber niemand stellt die Frage: Macht er so überhaupt einen Sinn?"

Ein klug konzipierter Föderalismus wäre vor allem demokratiepolitisch ein Gewinn, da er Entscheidungen näher zu den Bürgern bringen könnte, glaubt Fallend. Aber so erschöpft sich die Länderautonomie darin, Bundesgesetze über die mittelbare Bundesverwaltung zu exekutieren. Dabei werde politische Verantwortung für Missstände und Fehler allzu oft zwischen Bund und Land hin- und hergeschoben.

Wie Fallend in seinen Studien festgestellt hat, entspricht dieser unbefriedigende Zustand allerdings den Wünschen der Politiker und der Bevölkerung. Diese seien zwar stolz auf ihr Bundesland und sprechen ihm eine wichtige Rolle zu. Aber um Politikbereiche wie Arbeitsplatzbeschaffung, Sicherheit, Bildung und Gesundheit sieht die Mehrheit vor allem die Bundesregierung gefordert, zitiert Fallend aus den Salzburg-Werten einer Umfrage, die GfK Austria 2009 im Rahmen des Projektes "Citizenship in the Nation-State" (CANS) erstellt hat. Beim Umweltschutz steht dort sogar die EU an erster Stelle.

Ruf nach Bundesregelungen

Und sobald über unterschiedliche Landesregelungen, wie etwa beim Tier- und Jugendschutz, debattiert wird, komme sofort der Wunsch nach bundesweit einheitlichen Normen, was für Fallend dem Geist des Föderalismus widerspreche. Die meisten Bürger wüssten gar nicht, wofür das Bundesland zuständig sei. Für Fallend sind dies "Paradoxien, die erklären, warum sich in der Bundesstaatsreform nichts bewegt."

Österreich sei letztlich anders als andere Bundesstaaten. "Föderalismus beruht auf Differenzierung, er ermöglicht Vielfalt innerhalb der staatlichen Einheit. Aber die österreichische Gesellschaft ist weitgehend homogen, ohne regionale Konzentrationen von ethnischen oder religiösen Minderheiten, die diese als Ausgangspunkt für Autonomiebestrebungen nützen würden." Mit der Ausnahme der Tiroler würden sich alle anderen Bürger zuerst als Österreicher und erst in zweiter Linie als Bürger ihres Bundeslandes betrachten, sagt Fallend.

Dennoch werde eine Zusammenlegung der Länder, wie sie der steirische Ex-Landesrat Gerhard Hirschmann einst vorgeschlagen hat, abgelehnt. Für Fallend hat "Landesbewusstsein eine irrationale Dimension. In Zeiten der europäischen Integration und Globalisierung gibt das regionale Gefühl den Menschen Sicherheit."

Zufrieden mit Status Quo

Auch die politischen Eliten hätten wenig Interesse an einer Änderung des Status Quo. Eine Aufwertung der macht- und ressourcenlosen Landtage gegenüber den Landesregierungen würde demokratiepolitisch zwar einiges bringen, werde aber selbst von den Landtagsabgeordneten, von denen viele wiederum Bürgermeister sind, kaum gewünscht. Weder eine Verkleinerung der Landtage noch eine Direktwahl der Bundesräte hat in einer Befragung der neun Landtage Ende 2010 im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes "Participation & Representation" (PARTIREP) eine Mehrheit gefunden.

Fallend selbst könnte sich sehr wohl einen anderen, stärkeren Föderalismus vorstellen – mit einer Stärkung der Demokratie auf der Landesebene über stärkere Landtagsabgeordnete und mehr Landes-Volksbefragungen, mit Steuerhoheit für die Bundesländer und mehr Länderkompetenzen in der Gesundheitspolitik. Dies könnte eine schlankere Verwaltung ermöglichen und der Politikverdrossenheit entgegenwirken. Aber große Hoffnungen für Änderungen hat er nicht. "Die Beharrungskräfte sind sehr stark, und das hat auch mit den handelnden Personen zu tun. Vielleicht wird in einer Ära nach Häupl und Pröll mehr möglich." (Eric Frey /DER STANDARD, Printausgabe, 27.07.2011)