Im dezenten Grau markiert das Add-In falsche Formulierungen.

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Lästig, umständlich und viel zu zeitaufwändig. Wer sich bisher geschlechtergerechtes Formulieren mit dem Argument "Arbeit" vom Leib hielt, muss sich seit Mitte Juni auf ein neues Gegenargument gefasst machen: Installier doch das weltweit erste Office-Tool für geschlechtergerechte Sprache! Das Bundeskanzleramt und das Frauenministerium präsentierten das von Microsoft entwickelte Add-In im Juni und versprachen damit einen Schritt in Richtung "verändern durch gendern", so Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. 

Aber kann so ein Tool einen bewussten Umgang mit Sprache erleichtern oder gar ersetzen? Können oder sollen sich Fragen wie "Wen will ich ansprechen und wie will ich das tun" durch Automatismen beantworten?

Das rund herum nicht vergessen

Für die Bereiche Verwaltung, für elektronische Serviceleistungen oder für Betriebe lässt sich letztere Frage sicher mit Ja beantworten. Ein Text kann mit dem Tool schnell gegengecheckt werden und durch Markierungen wird ein dort und da vergessenes Femininum sichtbar. Das Add-In, eine Funktion, die sich leider auf Microsoft beschränkt, fügt sich nach Installation in die Funktionsleiste im Word ein. Für die vorgeschlagenen Verbesserungen sind standardmäßig sowohl die Vollformen, also Studentin und Student, oder das Binnen-I festgelegt, wobei frau sich auch für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden kann. Ein großer grüner Pfeil führt die UserInnen zur Textprüfung, in der sehr einfachen Anwendung kann somit praktisch nichts schiefgehen. Obacht ist aber geboten, nachdem das Tool die entsprechenden Stellen ausgewiesen hat und Änderungsvorschläge übernommen wurden. Denn selbst wenn aus "jeder Arbeiter", "ArbeiterIn" wurde, bleibt die Grammatik rund herum unmarkiert. So können die Vorschläge für eine präzisere Bezeichnung zwar rasch und einfach übernommen werden, dennoch muss der Satz als Ganzes nochmal genau gelesen werden. Hier ist wieder Hirnschmalz gefragt, denn keine Funktion erinnert an den noch bestehenden Handlungsbedarf.

Der Minister im Wort Ministerin

Bei einem Probelauf mit diversen Artikeln aus Online-Zeitschriften markiert das Tool mit einem dezenten Grau vor allem Wörter im Nominativ: Der Geschäftsführer, Wiener, Nachbar, Politiker, die Sozialdemokraten oder Bürger werden zum Beispiel zur Korrektur vorgeschlagen. Der bestehende Wörterkatalog, aus dem die Vorschläge geholt werden, kann von den UserInnen erweitert werden. Ein guter Überblick über die möglichen Baustellen im Text bezüglich geschlechtergerechte Sprache wird allerdings durch die Markierung von Abschnitten in einem Wort beschränkt. So wird zum Beispiel im Wort Frauenministerin der Abschnitt "minister" markiert, dadurch werden selbst in korrekten Texten ein Wulst an Markierungen ausgespuckt, die nochmal überfolgen werden müssen. 

Der Test mit den Texten zeigt also, dass es sich meist um sehr einfache Personenbezeichnungen handelt, die ganz rasch um die weibliche Form ergänzt werden könnten. Es wären keine schwierigen neuen Satzstellungen oder originelle Einfälle nötig, um einem "Deutsch als Männersprache", wie die bekannte feministische Sprachkritikerin Luise F. Pusch ihr Buch nannte, entgegenzuschreiben. Und es wäre schon erst recht nicht nötig, dass eine Zeitung wie "Die Zeit" die kürzlich von Helmut Schmidt verfassten Zeilen so veröffentlicht: "Ich teile die Menschheit deshalb [Anm.: Schmidt schrieb in dem Artikel vom 15. Juli über die unanständigen Gehälter der "Bänker"] in drei Kategorien ein. Die erste Kategorie, das sind die normalen Menschen. Wir alle haben sicher als Jungs mal Äpfel geklaut, aber dann sind wir doch anständige Kerle geworden...". 

Das möge man Helmut Schmidt verzeihen, der doch schon ein älterer Herr ist und der sich für aktuellere sprachkritische Erkenntnisse, nämlich dass Menschen oder "wir alle" nicht nur männlichen Geschlechts sind, nicht mehr weiter interessieren muss. Dass aber jene Zeitungen, die sich sonst so gern gerade durch Sprache den bildungsnahen Schichten als Zielgruppe versichern, dieses Wissen tunlichst ignorieren, erstaunt viele immer wieder. 

Beschränkte Zielgruppe

Das Add-In für geschlechtergerechte Sprache ist sicher praktisch für jene, die Texte verfassen müssen und dabei die Auflage haben, dies in einer gendersensiblen Art und Weise zu tun. Das Tool beschränkt sich allerdings auf UserInnen, die dieser Diskussion gelassen gegenüberstehen und bereit sind, dort und da nachzubessern, ohne eine Diskussion über Ästhetik in der Sprache vom Zaun zu brechen. Allen anderen wird es aber wenig nützen. Das sind einerseits jene, die sich bestens mit Binnen-I, dem Unterstrich oder sonstigen Möglichkeiten auskennen und ihre Texte auch sonst so gestalten, dass Diskriminierungen vermieden werden. Und auf der anderen Seite wird das Tool für die keine Rolle spielen, die für sich das Recht beanspruchen, anderen zu sagen, wann sie sich angesprochen fühlen dürfen: Lesben müssen sich so etwa zur "Schwulenparade" dazudenken oder Frauen müssen es da schon mal aushalten, nicht zu den Menschen gezählt zu werden. Dort wie da wird sich wohl das Gendering Add-In nicht hin verirren. (beaha, dieStandard.at, 27.7.2011)