Wien - Die hohen Kopierkosten für Aktenkopien bei Gericht sorgen seit längerem für Ärger, nun könnte sie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu Fall bringen. Laut einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss startet er ein Prüfungsverfahren. Ausgelöst wurde es, weil zwei Beschwerdeführern für selbst eingescannte bzw. abfotografierte Aktenteile eine Kopiergebühr von sechs bzw. zehn Euro vorgeschrieben wurde.

Karl prüft mögliche Reduktion

Ein Euro pro Seite muss ein Beschuldigter für jede kopierte Aktenseite zahlen, um Details aus seinem eigenen Gerichtsakt zur Prozessvorbereitung mitnehmen zu können. Drückt er oder sein Anwalt - und nicht ein Bediensteter des Gerichts - auf das Knöpfchen des Kopierers, werden immer noch 50 Cent fällig. Der Knackpunkt: Dies gilt auch dann, wenn man die Infrastruktur des Gerichts gar nicht in Anspruch nimmt und stattdessen sein eigenes Aufnahmegerät mithat.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) prüft nun Modelle, ob man bei den Kopierkosten für Aktenkopien bei Gericht wieder eine Reduktion erreichen kann. Man müsse sich bei den Kopierkosten ansehen, ob sie nicht überdurchschnittlich hoch seien, erklärte Karl Dienstagabend im ORF-"Report" auf die Frage, ob sie die Kosten von einem Euro für eine Kopie für angemessen halte. Sie müsse allerdings auch die budgetäre Seite im Auge haben, betonte Karl: Man wolle ja eine gute Qualität im Justizsystem und Qualität koste. Generell habe man in Österreich im internationalen Vergleich ein "sozial verträgliches" Gerichtsgebührensystem.

"Unsachlich und daher gleichheitswidrig"

Dass eine Gebühr für etwas erhoben wird, wofür "anscheinend gar keine öffentliche Leistung erbracht wird", erscheint dem VfGH nach vorläufiger Auffassung mit dem Gleichheitssatz unvereinbar - noch dazu, weil die Akteneinsicht selbst ja gebührenfrei ist. Auch die gleiche Höhe von 50 Cent - egal ob am Gerichtskopierer oder mit der eigenen Digicam - könnte "unsachlich und daher gleichheitswidrig" sein.

Dem VfGH scheint außerdem der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt, insbesondere jener der "Waffengleichheit". Begründung: Staatsanwälte haben im Gegensatz zu den Bürgern bzw. deren Anwälten die unbeschränkte Möglichkeit, von Amtswegen Kopien anfertigen zu lassen. Und: "Die Gebühr darf nicht so hoch angesetzt sein, dass sie von der Beantragung bestimmter Amtshandlungen abschreckt." Dies könnte in aufwendigen Verfahren mit einer Vielzahl an Urkunden als Beweismitteln aber aber der Fall sein.

Neun Monate Verfahren

Konkret prüft der VfGH nun die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Passage im Gerichtsgebührengesetz sowie die Gesetzmäßigkeit von je zwei Verordnungen und Erlässen des Justizministeriums. Der Bund bekommt Gelegenheit zur Stellungnahme, dann wird entschieden. Üblicherweise dauert ein solches Verfahren rund neun Monate, in den meisten Fällen bestätigen sich die ursprünglichen Zweifel.

Dass dann alle, die bisher für Aktenfotos gezahlt haben, ihr Geld zurückbekommen, steht nicht in Aussicht, denn eine Aufhebung der Regelung würde nicht rückwirkend gelten. Allerdings können sich weitere Betroffene, die schon Beschwerde gegen die Gebühr eingelegt haben, an das Verfahren anhängen.

Übrigens: Auch am VfGH muss für Aktenkopien gezahlt werden, allerdings nur 20 Cent pro Seite. Wer selbst fotografiert oder scannt, muss nichts zahlen. (APA)