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Anders Breivik, der geständige Attentäter von Oslo, in einer stilisierten Uniform.

Foto: REUTERS/Andrew Berwick

Die Waffen waren bereit und geladen, auch die Bomben würden wohl ihre Wirkung tun - aber der Attentäter hatte eine dringendere Sorge: Noch am Morgen seiner Bluttat ließ er ein Portraitfoto machen und sorgte dafür, dass dieses rechtzeitig verbreitet würde: Nach dem Anschlag sollte die Welt das Bild eines gepflegten Herrn mit Talent zum Volkshelden sehen - und nicht das Polizeifoto eines Terroristen.

Das war nicht in der Vorwoche in Oslo, sondern am 28. Juni 1914 in Sarajevo. Der Fotografierte war Nedeljko Cabrinovic. Das ist der Mann, der kurz nach der Fotosession die serbische Bombe auf Thronfolger Franz Ferdinand geworfen hat, dabei aber nur die Insassen des nachfolgenden Fahrzeugs verletzen konnte. Der etwas später erfolgreiche Verschwörer, der Pistolenschütze Gavrilo Princip, hat die Medienwirkung noch nicht so gut kalkuliert - von dem schmächtigen jungen Mann sind vor allem Bilder aus seiner Festungshaft erhalten geblieben.

Von Otto Planetta, der am 25. Juli 1934 den österreichischen Kanzler Engelbert Dollfuß erschossen hat, gab es dagegen ein gutes Porträtfoto - so gut, dass es noch heute stolz als Bild eines "Blutzeugen der Bewegung" auf Neonazi-Seiten gezeigt wird.

Es hat also eine lange Tradition, dass sich Attentäter zu Helden stilisieren - oder dass sie, wenn sich ihre Seite durchsetzt, breite Wertschätzung bekommen. Für Hitler-Attentäter gelten andere Regeln als für Anarchisten und andere Extremisten: "Schon Anfang des 20. Jahrhunderts forderten US-Forscher: Hört doch auf, Bücher über die Attentäter zu schreiben! Denn das Ergebnis ist häufig bloß eine weitere Verpopkulturung der Gewalt", schrieb am Montag Jens Hoffmann vom Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt. Solche Appelle haben allerdings weder seinerzeit noch heute gegriffen. 3184 Bücher über Attentate sind derzeit bei Amazon gelistet - womöglich kommt bald ein "Schnellschuss" eines Verlags dazu, der am Terror in Norwegen mitverdienen will.

Anders Breivik, der geständige Attentäter von Oslo, hat allerdings gut vorgesorgt und mit seinen Internet-Veröffentlichungen einen Informations-Vorrat angelegt, den die Medien kaum brach liegen lassen können. Mit der stilisierten Uniform wolle er potenziellen Nachahmern einen Anknüpfungspunkt geben, meint etwa Gerichtspsychiater Reinhard Haller.

ORF: Nicht christlich nennen

Wobei schon die Einschätzung der Person breiten Interpretationsspielraum lässt: War in den Medien zuerst von einem "Terroristen" die Rede, wurde er am Wochenende vielfach als "Verrückter", dann wieder als "Rechtsextremist" bezeichnet. Robert Ziegler, Vize-Chefredakteur des ORF Niederösterreich, bittet "Kolleginnen und Kollegen" per Rundmail, Breivik nicht als "christlichen Fundamentalisten" zu bezeichnen (mehr dazu hier). (cs, fid/DER STANDARD, Printausgabe, 26.7.2011)