Viele Organisationen sind - das überrascht wenig - an "besonders guten" Angestellten interessiert. Im Zuge der Rekrutierung stellt sich die Frage, ob denn die potenziellen Führungskräfte auch an den Organisationen interessiert sind beziehungsweise mit welchen Angeboten die jeweilige Organisation aufwarten müsste.

Eine Studie unter 339 Studierenden aus insgesamt 37 Ländern eines als europäisches Eliteprogramm konzipierten Masterstudiums (CEMS) liefert interessante und zum Teil unerwartete Ergebnisse. Die Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird neben formalen, expliziten Aspekten auch vom "psychologischen Arbeitsvertrag" geprägt. Für diese impliziten wechselseitigen Erwartungen sind grundsätzlich zwei Ausrichtungen denkbar:

  • Relationale Verträge basieren auf gemeinsamen Werten und betonen eine eher langfristige Perspektive mit Loyalität vonseiten der Individuen und Arbeitsplatzsicherheit von organisationaler Seite.
  • Transaktionale Verträge beschreiben ein wesentlich unmittelbareres Geben und Nehmen, ein Quidproquo, wo der eigene Beitrag sich schon innerhalb kurzer Zeit in Form entsprechender Rückflüsse lohnen muss.

Neben der ihnen zugeschriebenen besonders hohen Kompetenz ist es auch die besondere Leistungsbereitschaft der Studierenden, von der Organisationen profitieren möchten. Allerdings müssen Letztere auch entsprechende Gegenleistungen bieten, um diese Führungskräfte der Zukunft rekrutieren zu können.

Hier reicht es nicht aus, insgesamt einen guten Ruf als attraktiver Arbeitgeber zu genießen. Die Befragten sehen sich durchwegs als ihres eigenen Schicksals Schmied, und als solcher kalkulieren sie sehr genau, wie sich ihre jeweiligen Aktivitäten auf ihr ökonomisches, kulturelles, soziales oder symbolisches Kapital und damit auf ihre Karrierechancen auswirken.

Profitable Karrieren

Ständig auf der Suche, die aktuelle Austauschrelation durch eine andere zu ersetzen, bei der das investierte Karrierekapital (z. B. Kompetenzen, Netzwerke) eine höhere Rendite erwirtschaftet, gehen die CEMS-Studierenden deutlich seltener langfristige, relational orientierte, sondern vermehrt transaktional dominierte Arbeitsbeziehungen ein, die genau so lange halten, wie sie profitabel erscheinen.

In jüngerer Vergangenheit trieben viele Organisationen (z. B. mit vermehrten Leistungsanforderungen) den Wandel vom relationalen zum transaktionalen Vertrag voran. Dass nun die Führungskräfte der Zukunft das Spiel mitspielen und ihrerseits für die als höherwertig eingeschätzten Einsätze auch höhere Auszahlungen verlangen, überrascht kaum. Wie schon Goethes Zauberlehrling realisieren nun auch Organisationen, dass die gerufenen Geister Vor- und Nachteile mit sich bringen. (Paul G. Demeter, DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.7.2011)