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Andy Coulson konnte Camerons Pressechef werden ohne den sonst üblichen Sicherheitscheck zu absolvieren.

Foto: Oli Scarff, Pool, file/AP/dapd

London/Wien - Premierminister David Cameron gerät im britischen Abhörskandal immer mehr in Bedrängnis. Er soll den umstrittenen "News of the World"-Chefredakteur Andy Coulson ohne die übliche strenge Sicherheitsüberprüfung zum Regierungssprecher ernannt haben, berichtet die Tageszeitung "The Guardian". Es sei "atemberaubend", dass bei Coulson nicht der volle Sicherheitscheck stattgefunden habe, sagte der Vize-Regierungssprecher unter Ex-Premier Tony Blair, Lance Price, der Zeitung.

"Ich finde es atemberaubend, dass der Kommunikationsdirektor nicht auf höchste Sicherheitsebene eingestuft wird, denn in diesem Job muss man alle Informationen sehen, die auf dem Tisch des Premierministers landen", sagte Price. Er selbst habe etwa an privaten Treffen Blairs mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton teilgenommen. Auch Blairs früherer Pressechef Alastair Campbell bezeichnete es als "ziemlich eigenartig", dass Coulson nicht auf Herz und Nieren überprüft worden sei.

Verhör zu Sexualpraktiken

Wegen der mangelhaften Sicherheitsüberprüfung hatte der frühere Chefredakteur - zumindest offiziell - auch keinen vollen Zugang zu streng geheimen Dokumenten. Für die höchste Sicherheitsstufe hätte Coulson ein dreistündiges Verhör über sich ergehen lassen müssen, berichtet ein britischer Spitzenbeamter. "Es handelt sich um ein intensives Verhör, sehr detailliert und unglaublich persönlich: So geht man eine lange Liste an Sexualpraktiken durch und muss sagen, welche man schon ausprobiert habe. Sagt man Ja, muss man volle Auskunft darüber geben wann, mit wem und so weiter."

Treten Auffälligkeiten auf, würden diese bis zu einer Stunde detailliert erörtert. Außerdem würden die Sicherheitsbeamten auch enge Freunde des zu Überprüfenden befragen, um Ungereimtheiten aufzudecken, berichtete der Gewährsmann. "Und man kann seine Freunde unmöglich auf diese Befragungen vorbereiten, weil man sich nicht an alles erinnern kann, was man sagte. Die einzige Option ist, dem Interviewer die ganze Wahrheit zu erzählen und dass die Freunde dies auch tun."

Vom Chefredakteur zum Pressechef

Coulson war im Jahr 2007 als Chefredakteur von "News of the World" zurückgetreten, als die Affäre um illegale Abhörpraktiken bei der Zeitung ausgebrochen war. Der damalige Oppositionsführer Cameron machte ihn zu seinem Pressechef. Nach dem Machtwechsel im Mai 2010 ernannte der neue Premier Coulson trotz massiver Kritik zum Regierungssprecher. Nach weiteren Enthüllungen im Abhörskandal quittierte Coulson bereits im Jänner seinen Dienst.

Reporter der mittlerweile eingestellten Zeitung sollen tausende Politiker, Prominente, aber auch Opfer von Gewaltverbrechen abgehört haben. Das Fass zum Überlaufen brachte heuer der Fall der entführten und ermordeten Milly Dowler, in deren Handy-Sprachbox sich Reporter gehackt hatten. Sie löschten sogar Sprachnachrichten und weckten damit die Hoffnung, dass Milly noch am Leben sei.

Cameron räumte am Mittwoch in einer Unterhausdebatte ein, dass die Ernennung Coulsons rückblickend ein Fehler gewesen sei. Zugleich betonte er, dass er bis zu Coulsons Rücktritt keine glaubwürdigen Hinweise erhalten habe, die dessen Verwicklung in den Abhörskandal belegt hätten. Eine umfassende Sicherheitsprüfung wäre hier wohl hilfreich gewesen. (APA)