Auch wenn niemand mit einem Einbruch wie vor zwei Jahren rechnet: Die Verwundbarkeit Osteuropas wird mit der griechischen Krise wieder sichtbar. Der hohe Bestand an Fremdwährungskrediten, die Abhängigkeit von westeuropäischer Finanzierung sowie der Euroraum als wichtigster Exportmarkt gelten als Achillesferse in Central and Eastern Europe (CEE). "Wenn westeuropäische Banken ihre Griechenland-Anleihen abschreiben müssen, steht weniger Geld für Kredite in Osteuropa zur Verfügung", erklärt David Hauner, Ökonom bei Bank of America Merrill Lynch im Gespräch mit dem Standard.

Der sich nun abzeichnende Abschwung werde sich zudem negativ auf die Exporte von CEE auswirken, die stark auf die EU ausgerichtet sind. Dazu kommt noch die Fremdwährungsproblematik: Wegen der Abwertung von polnischem Zloty, ungarischem Forint oder rumänischem Leu gegenüber dem Schweizer Franken sind Ratenzahlungen oder Tilgungsbeträge für die lokalen Kreditnehmer deutlich gestiegen. "Das bringt höhere Ausfallsraten, die Leute erleiden Verluste und konsumieren weniger, was sich wiederum negativ auf das Wachstum auswirkt", beschreibt Hauner den Kreislauf, der auch die heimischen Banken hart treffen würde.

Allerdings betont er, dass sich die Lage im Vergleich zu 2009 deutlich gebessert habe und eine neuerlicher Kollaps fast ausgeschlossen sei. Vor allem bei der Struktur des Außenhandels steht die Region nun besser da, haben sich doch die chronischen Defizite mehrheitlich in Überschüsse verwandelt. Problematische Ausnahme bleibt die Türkei, deren Loch in der Handelsbilanz ständig größer wird. Der Kurs der Lira fiel am Donnerstag auf den tiefsten Wert seit Einführung des Euro. Das zentrale Problem: Importiert ein Land ständig mehr als es exportiert (Waren und Dienstleistungen), muss die klaffende Lücke durch Kapitaleinfuhren gedeckt werden. Reißen diese Investitionen plötzlich ab, können aufstrebende Volkswirtschaften wie eben die Türkei aufgrund der Ungleichgewichte rasch ins Wanken geraten. Während Ankara kaum Probleme mit der Verschuldung hat, spielt diese in Ungarn eine große Rolle. Laut Bank of America stehen dort Haushalte, Unternehmen und Staaten zusammen gegenüber dem Ausland mit 150 Prozent des BIPs in der Kreide. In Bulgarien und Kroatien sind es immerhin rund 100 Prozent. Die größte Abhängigkeit von ausländischen Finanzierungskanälen weist Kroatien mit rund 50 Prozent des BIPs vor Ungarn, Lettland, Rumänien, Litauen, Bulgarien, Polen und Serbien auf. Tschechien hat eine fast ausgeglichene Nettoposition. Ebenfalls noch hoch ist das Verhältnis der Verbindlichkeiten zu den Bankeneinlagen

Zurück zu den Fremdwährungskrediten: Sie machen in Polen gut die Hälfte, in Ungarn knapp zwei Drittel aller Immobiliendarlehen aus. Auch in den meisten anderen Staaten der Region ist der Anteil hoch. Neben den Immobilienausleihungen spielen Franken und Euro auch bei Konsumenten- und Unternehmenskrediten eine große Rolle. In den letzten zwei Jahren haben Forint, Zloty oder Leu fast ein Drittel zum Franken verloren, entsprechend stieg das Ausmaß der Schulden in lokaler Währung. Doch nicht nur Zins- und Rückzahlungen der Kredite haben sich verteuert, die Besicherungen durch Immobilien, Autos und andere erworbene Güter dürften in vielen Fällen das Obligo nicht mehr abdecken, warnen Experten.

Ungarn hat versucht, das Problem künstlich zu lösen. Bis 2014 wird für Frankenkredite ein fiktiver Kurs von 180 Forint zur Schweizer Währung herangezogen, auf dessen Basis die Ratenzahlungen erfolgen. Der echte Wechselkurs liegt bei 227 Forint. Bleibt der Franken bis zum am Ende der Kreditlaufzeit ähnlich stark (oder wertet weiter auf), müssen die Kreditnehmer die Differenz bezahlen. Die Regelung funktioniert also nur, wenn die Schweizer Währung bis dahin an Wert verliert.

Eine weitere Abwertung der lokalen Währungen hätte laut Bank of America zur Folge, dass die Banken ihre Kreditvergabe drosseln müssten. (Andreas Schnauder, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 22.7.2011)