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Installation von Stephen Prina in der Secession: "As He Remembered It".

Foto: Lilli Strauss / dapd

Wien - Es leuchtete quer über die Straße hinweg, pink, hell und intensiv: Später stellte sich das Objekt, das Stephen Prina und Christopher Williams in den 1980ern in einer Auslage in Los Angeles entdeckten, als ein Möbel des österreichstämmigen Architekten Rudolph Michael Schindler (1887-1953) heraus. Es war ein Einbaumöbel, das man aus seinem Kontext gerissen und farbig lackiert hatte. "Es kam uns vor wie ein amputiertes Körperteil", sagt US-Künstler Stephen Prina (57) über diesen "Phantomkörper".

28 dieser pinkfarbener Phantomkörper, Nachbauten des Interieurs zweier nicht erhaltener Schindler-Wohnhäuser aus den 1940er-Jahren, hat er nun in den Hauptraum der Secession gestellt. Hybride Multifunktionsmöbel, die Sofa und Esstisch, Piano und Schreibpult zusammenbringen, bilden einen Parcours, der jedoch nicht den ursprünglichen Grundrissen folgt. "Es geht nicht darum, die Häuser als benutzbare Wohneinheiten - Bad, Küche, Wohnzimmer - zu replizieren", sagt Prina. Vielmehr reagiert er in seiner Inszenierung auf die Architektur von Joseph Maria Olbrich.

Die Objekte bilden respektvolle Gänge, die die sakrale Dreischiffigkeit der Secession zu unterstreichen scheinen. Im Foto seiner Installation tritt der Raum aber zurück: Da fügen sich das Weiß der Wände, der graue Boden und die in der Farbe blühenden Klees ("Honeysuckle" von Pantone) gestrichenen Quader zu einer konstruktivistischen Komposition - in Pink. Und darin ist die Arbeit vielleicht eine Spur zu dekorativ.

Dass Olbrich ebenso wie der 1914 emigrierte Schindler ein Schüler Otto Wagners war, ergab eine Logik, in der sich plötzlich alles fügte. Nach 30 Jahren ging die isolierte Anekdote des pinkfarbenen Möbels, dessen wahre Farbe nur in Prinas Erinnerung existiert, in einem Kontext auf. As He Remembered It ist eine freie Aneignung der Schindler-Entwürfe, eine Interpretation seiner oft im Skizzenhaften verharrenden Ideen. "Es geht nicht um Wahrheit, sondern um Repräsentation", sagt Prina, der mit der Aneignung fremder Werke und ihrer Reinszenierung seit den 1990er-Jahren Fragen der Autorschaft behandelt.

Generell lenkt Prina, dabei ganz Erbe Duchamps, den Blick vom schöpferischen Künstler auf den Betrachter, von der Produktion auf die Wahrnehmung. "Das Werk hat nur Bedeutung, wenn es die soziale Sphäre betritt und seinem Publikum begegnet", sagt Prina. Und: "Die Bedeutung eines Kunstwerks liegt nicht allein in den Ideen, die es erzeugen."

Nicht allein in diesen. Dennoch ist Prinas Arbeit eine, die versucht, Ideen zu vermitteln, die fremde Gedanken aus Kunst, Film, Literatur und Philosophie in andere Medien übersetzt. Ob das nun Schindler ist, Böll, Brood- thaers oder der Philosoph der Frankfurter Schule Theodor W. Adorno. Das Arbeitszimmer aus dessen Exilheimat Los Angeles ließ Prina etwa im Frankfurter Kunstverein wieder erstehen. Ein amerikanisches Interieur, in dem er eines seiner Manuskripte aus dem Adorno-Archiv der Stadt platzierte. Das Wiederherstellung dieser Kontexte kann man durchaus auch als politische Geste des Amerikaners verstehen.

Stufen ins Nirgendwo

Aktuell verhilft Prina den verlorenen Schindler-Designs noch einmal zu einer Gestalt. In ihrer Kaugummifarbe bleiben sie aber irreal, so als würden sie fragen: Was bleibt von Schindlers Idee?

Offensichtlich sind seine Übersetzungen jedoch nicht. Wie oft muss der Katalog helfen: Möbelskizzen, historische Fotos und Pläne der Gebäude sorgen dafür, dass die ins Objekthafte transformierten Referenzen nicht ins Nirgendwo führen, so wie die rollbare Treppe im Zentrum des Raums. Denn der fehlt einstweilen das Regal zum Andocken.

Die Frage, ob er Konzeptkünstler sei, beantwortet Prina nur indirekt: Zur Blütezeit der analytischen Konzeptkunst in den 1960er Jahren sei er ein Teenager gewesen, den einzig das Gitarrespielen interessiert hat. Freilich nutzt Prina, der letztendlich neben Komposition auch Malerei studiert hat, sowohl Verfahren der Konzeptkunst als auch der Minimal Art. Und diese kommen auch in der zweiten in Wien präsentierten Arbeit, der seit 1988 verfolgten Serie Exquisite Corpse: The Complete Paintings of Manet zum Tragen: Er rekonstruiert das malerische Gesamtwerk dieses Wegbereiters der Moderne. Allerdings sind es keine Nachschöpfungen. Prina greift lediglich das Format auf; das Motiv ersetzt er durch eine monochrome Fläche verdünnter Sepia. Prina quantifiziert lediglich die Bedingungen der Bilder. Vielleicht passt dazu ein anderes Zitat Prinas: "Die Objektivität der Kunstgeschichte ist eine Konstruktion. Kunstgeschichte meint den Konsens vieler persönlicher Blicke."

Weitere Präsentationen sind Wade Guyton und Sasika Olde Wolbers gewidmet. (Anne-Katrin Fessler  / DER STANDARD, Printausgabe, 22.7.2011, Langfassung)