Grafik: DER STANDARD

Wien - Vor zehn Jahren grassierte in Asien die "Asian flu", die asiatische Grippe. Doch im Gegensatz zu den pandemischen Vogel- und Schweinegrippen der vergangenen Jahre steckten sich 1997 nicht Menschen an, sondern ganze Volkswirtschaften. Die Symptome: Währungsabwertungen, Kapitalabflüsse und Bankrotte.

Die Asienkrise ist der Prototyp einer Ansteckungskrise, und seit 1997 warnen Ökonomen und Banker vor der Gefahr des Dominoeffekts von Schuldenkrisen. Ansteckung, das ist für Ökonomen wie Michael D. Bordo, Professor an der Rutgers University, wenn "gute Gesundheit, also gute Politik, nicht mehr garantieren, dass ein Land immun gegen externe Krisen ist". Tatsächlich ging es in der Asienkrise 1997 sehr schnell. Thailands Notenbank wertete am 2. Juli die eigene Währung, den Baht, ab und beantragte die Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Danach fiel ein Dominostein nach dem anderen um (siehe Grafik). Investoren zogen ihr Geld nicht nur aus Thailand ab (der Baht stürzte zunächst 20 Prozent ab), sondern auch aus den Philippinen, Indonesien oder Malaysia ab.

Vor der Asienkrise hatten die Länder Ostasiens ihre Währungen an den Dollar gekoppelt. Aufgrund der Kapitalabflüsse der Investoren mussten Notenbanken die Währungen mit ihren Dollarreserven stützen. Das ging so lange gut, bis die Reserven ausgedünnt waren, was in der heißen Phase des Sommers 1997 nur eine Frage von Wochen war. Indonesien etwa hatte im Juni noch 20 Milliarden Dollar an Reserven. Im August musste die Notenbank bereits die Dollarbindung der Rupiah beenden. Die Währungen werteten bis zu 75 Prozent bis 1998 ab.

Umschuldung als Antwort

Investoren hatten in der Folge das Vertrauen in viele Unternehmen der Region, die sich stark in fremder Währung verschuldet hatten, verloren. In Südkorea musste ein Drittel der Handelsbanken verstaatlicht werden. Wie auch etwa in Irland heute verteuerten sich nach den Bankenrettungen die Refinanzierungskosten der Staaten empfindlich. Die Zinsaufschläge von südkoreanischen Staatsanleihen stiegen um knapp 300 Prozent in den eineinhalb Jahren nach Ausbruch der Krise.

Der IWF schnürte 1997 für alle strauchelnden Länder Reform- und Kreditpakete. Für das Geld verpflichteten sich die Länder zu massiven Reformen. Insbesondere in Südkorea und Indonesien wurden die Maßnahmen des IWF kritisiert. Die geforderten Liberalisierungen und Einsparungen unter dem "Washington Consensus" konservativer Politik hätten die Krise nur weiter verschlimmert. In Südkorea sprachen gerade die oppositionellen Politiker von der IWF-Krise.

Doch die Lehren aus der Krise sind für Europa nicht eindeutig, etwa was die Beteiligung von Banken an der Krise betrifft. In Asien wurden die privaten Gläubiger, insbesondere internationale Geschäftsbanken, mit Umschuldungen beteiligt. Korea und Indonesien etwa tauschten 1998 laut Daten der Weltbank Anleihen im Wert von 104 Milliarden Dollar in neue Papiere. Kurzfristig fällige Schuldscheine wurden in Papiere mit Laufzeiten von bis zu acht Jahren gewandelt. Citigroup-Banker William Rhodes, selbst Verhandler bei zwei Umschuldungen in Asien, betonte in einem Bloomberg-Interview, wie rasch sich Südkorea nach der Umschuldung erholte. Auch in Griechenland sollte der Privatsektor daher schnell beteiligt werden.

Doch in der europäischen Schuldenkrise befürchten Ökonomen, gerade bei der Europäischen Zentralbank, dass erst die Umschuldung zur Ansteckung in Europa führen könnte. Denn sie beschert Banken und Investoren herbe Verluste, die sie auch zum Verkauf von weiteren, als weniger sicher eingeschätzten, Staatsanleihen führen könnten.

Die Länder Ostasiens haben ihre Lehre aus der Krise jedenfalls gezogen. Sie haben in den vergangenen fünf Jahren massive Währungsreserven angehäuft und sich unabhängiger von externem, kurzfristigem Kapital gemacht. Asiatische Länder, angeführt von China und Japan, haben heute 5000 Milliarden Dollar an Währungsreserven, schätzt die Bank für internationalen Zahlungsausgleich. Das ist fünfmal so viel wie im Jahr 2000. Damit könnten sie sich gegen die Abflüsse von Kapital deutlich länger entgegenstemmen als vor 14 Jahren. (Lukas Sustala, DER STANDARD, Printausgabe, 21.7.2011)