In Österreich erhielt seine Familie Asyl, er könnte aber ausgeliefert werden. Seine Frau Leslie Figueroa bangt um sein Leben, sagte sie zu Kerstin Scheller.

STANDARD: Eigentlich wollte heute statt Ihnen Ihr Mann persönlich Stellung zu den Vorwürfen nehmen, er sei in Guatemala als Chef der Kriminalpolizei Mitglied eines Todeskommandos gewesen. Die guatemaltekische Regierung hat aber ein Auslieferungsansuchen an Österreich gestellt. Ihr Mann wurde daraufhin wegen Verdun-kelungsgefahr in Oberösterreich in Auslieferungshaft genommen. Wann wird Javier Figueroa Diaz in seine Heimat überstellt?

Figueroa: Ich hoffe, er muss als anerkannter Asylant nicht gehen, denn sein Leben ist in Gefahr. Er wurde Opfer des nach wie vor korrupten Systems in Guatemala. Muss er zurück, wird er umgebracht.

STANDARD: Amnesty International ist anderer Ansicht und befürwortet die Auslieferung Ihres Mannes. "In Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards" sollte er im eigenen Land vor Gericht gestellt werden.

Figueroa: Das ist nicht möglich. Nach wie vor ist das ganze Land korrupt. Und mein Mann weiß zu viel. In seiner Position hat er zu viel von dem Netzwerk zwischen den reichen, einflussreichen Familien, dem Militär, der Polizei und der Politik mitbekommen. Diese Verflechtungen hat er aufgedeckt. Zugleich hat er auch der "Internationalen Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala (CICIG)" zugearbeitet.

STANDARD: Die CICIG sieht Ihren Mann aber nicht als Opfer, sondern als Täter. 2010 stellte sie einen Haftbefehl wegen Steuerung einer kriminellen Vereinigung und Mord gegen Ihren Mann aus. Er soll an außergerichtlichen Hinrichtungen von sieben Häftlingen im Gefängnis von Guatemala-Stadt 2006 beteiligt gewesen sein.

Figueroa: Das ist eine Lüge. Mein Mann ist ganz bestimmt kein Mörder. Als ein zuständiger Kriminalchef hatte er zwar als einer von vielen den Auftrag von Innenminister Carlos Vielmann, in dem Gefängnis mit mehr als 1000 Häftlingen für Ordnung zu sorgen, aber er wusste nichts von dem Plan, die Männer ohne Verurteilung hinzurichten.

STANDARD: Warum ist Ihre Familie dann ebenso wie der Innenminister und der damalige Polizeichef des Landes, Erwin Sperisen, 2007 aus Guatemala geflohen?

Figueroa: Mein Mann hatte in einem heiklen Fall – vier des Mordes verdächtigte Polizisten wurden in einem Gefängnis erschossen – Ermittlungen aufgenommen. Ihm wurde der Fall entzogen, er musste die Polizei sogar verlassen. Damit hatte er in Guatemala keine Unterstützung mehr. Deshalb mussten wir uns in Sicherheit bringen, flohen über Spanien, Frankreich und Deutschland nach Thalham.

STANDARD: Und schon ein Jahr später erhielten Sie als politisch Verfolgte in Österreich Asyl?

Figueroa: Ja, seit 2008 leben wir im Innviertel. Unsere drei Kinder sind gut integriert. 2009 suchte der Direktor von CICIG, Carlos Castresana, den Kontakt zu meinem Mann. Die UN-Kommission stand unter Druck, weil sie keine Erfolge aufweisen konnte. Sie wollte von meinem Mann Informationen.

STANDARD: Aber auf Betreiben der CICIG wurde Ihr Mann doch am 23. Mai festgenommen?

Figueroa: Eigentlich sollen im Auftrag der Uno unabhängige Juristen wegen der mafiösen Verschränkungen von Politik, Justiz und Militär in Guatemala ermitteln. Doch mittlerweile ist die CICIG auch schon unterlaufen. Wird mein Mann nach Guatemala ausgeliefert, und kommt er ins Gefängnis, wird er dort sicherlich getötet. Schon vor vier Jahren hatte Interpol meinen Mann gesucht und wollte seine Auslieferung, er war zwei Tage in Auslieferungshaft. Und jetzt wieder, denn es stehen Wahlen an, und das Regime fürchtet, mein Mann könnte als Geheimnisträger belastende Informationen preisgeben. Um ihn zum Schweigen zu bringen, wurde vor elf Monaten sein Bruder ins Gefängnis gesteckt.

STANDARD: Der damalige Leibwächter Ihres Mannes hat ausgesagt, dass sowohl Figueroa als auch sein Bruder bei dem Todeskommando dabei gewesen seien. Nach den Exekutionen hätten diese einander auf die Schultern geklopft.

Figueroa: Auch das ist eine Lüge. Meine Familie soll in dem Fall als Bauernopfer herhalten. Warum können sich Vielmann in Spanien, der seinerzeitige Polizeichef Erwin Sperisen in der Schweiz frei bewegen genauso wie der Chef der Gefangenenhausverwaltung und der Leiter der Operation? Nur mein Mann und mein Bruder sind im Gefängnis. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.7.2011)