Daisy wird das überdimensinale Gänsblümchen genannt, das längst der Star von Turku 2011 ist. Gut zehn Meter lang ist die Blume, die das Stadtbild ebenso prägt wie die mobilen Saunen und Kulturtrails durch die Hafenstadt.

Foto: Päivänkakkara Suomen Joutsenen edessä

Anreise & Info

Es gibt keine Direktflüge von Wien nach Turku. Eine interessante Flug-Option bietet z. B. Air Baltic mit einmal Umsteigen in Riga. Interessante Kombination bietet die tägliche Fährverbindung der Hafenstadt Turku mit Schweden (Stockholm) mit www.talinnksilja.com.

Veranstalter: Der Finnland-Spezialist Finntouring bietet eine Reihe von Reiseoption nach Turku und vor allem ins angrenzende Turku-Archipelago - Spezialität des Unternehmens ist die große Auswahl an Ferienhäusern. Info-Tel. Österreich mobil: 0664/446 46 26

Foto: Tallink Silja

Besser Schären- statt Schrebergarten. Diesem Motto folgt das grandiose Turku-Archipelago, das sich unmittelbar vor der Stadt aus über 20.000 Inseln zusammensetzt. Das Archipel ist seit längerem ebenfalls Ziel einer kulturellen Initiative. Im Rahmen des Projekts "Museum Passage" werden diverse historische Lotsen-Marker wieder errichtet - vor allem auf kleineren Wasserwegen, wo sie Kanuwanderern die Orientierung erleichtern. Aber auch mit dem Rad kann man das Turku Archipelago erkunden: Auf acht verschiedenen Radrouten, etwa dem 6-tägigen Archipelago-Trail.
www.visitarchipelago.com
www.scandinavianislands.com

Foto: scandinavianisland.org

Turku 2011: Kulturelles Herzstück der Kulturhauptstadt Turku 2011 und wichtigste Ausstellungplattform ist das in unmittelbarer Bahnhofsnähe gelegene Kunstzentrum Logomo. Bis 18. Dezember kann hier in drei adaptierten Fabrikshallen zeitgenössische Kunst erlebt werden.

Allein das von Tobias Rehberger gestaltete Museumscafé ist den Besuch wert. Thema sind auch die zahlreichen Brandkatastrophen in der Geschichte der Stadt. www.logomo.fi

Einen Überblick über das gesamte Programm des Kulturhauptstadtjahres bietet: www.turku2011.fi

www.turku.fi

Foto: Susse Määttänen

Turku im ziemlich hellen Sommer 2011: Bessere Wohneinheiten für Schmetterlinge, Freibierschalen für Bienen und aufblasbare Boote hängen in den Lindenalleen der alten finnischen Stadt. Friedlich treiben ein paar Enten neben den Brücken des Aurajoki. Allerdings so groß wie Kanus, auf deren Rücken Figuren in MP3-Vollverkabelung von der sonderbaren Schwebe moderner Realitätsnischen erzählen.

Auch diese Plastiken gehören zu Turku2011 dazu. Und nicht zu vergessen: Flötisten, die in einer überdimensionierten transparenten Blase auf demselben Fluss treiben und dabei Sphärentöne an die Ufer schicken. Ferner: Linienbusse mit eingebauter Wasserwaage, weil Kimmo Ylönen ein wenig H2FroH zwischen die doppelverglasten Scheiben pumpte. Damit Touris und Turkuer beim Blick durchs Busfenster auch gleich die verhalten buckelige Topographie der alten finnischen Hauptstadt ausloten können.

All das bietet die Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2011 - und Stunden später einen Herren, den wir wegen der starken Eisen-Aufrüstung jetzt mal El Cid nennen wollen, auch wenn er in Wirklichkeit Johnny Sid heißt, und der ein wenig unruhig über die Eisentreppchen der "Bore" turnt. Seiner alten "Bore", dem 4300 Tonnen-Kahn, auf dem er mit vier das erste Mal zwischen Turku und Stockholm hin und her gefahren war, ein Erlebnis, das Johnny Sid nie wirklich los ließ. Ob zum Glück oder zum Unglück ist noch nicht ganz heraus. Denn nicht jeder kauft sich eine ausrangierte Ostseefähre. Herr Sid schon.

Restaurant, Hotel, Bar, Museum, Incentive-Intimitäten in einer originalen Captain's Lounge - alles mögliche soll in naher Zukunft auf der fünfzigjährigen "Bore" entstehen. Für den nächsten Sommer ist zunächst mal der Anschluß ans öffentliche Stromnetz geplant.

Johnny Sid und Turku passen momentan ganz gut zusammen. Nicht bloß deswegen, weil das Hotelschiff in spe eine passende Erweiterung zum sehenswerten Marine Museum "Forum Marine" darstellt, an dessen Kaimauer sich von der nachgebauten Wikingerbarke, über den dreimastigen Großsegler "Soumen Joutsen" - der "Finnischen Schwalbe" - und der martialischen Korvette "Karjala" recht Unterschiedliches reibt.

Aufbruchsstimmung

Gemeinsam ist nämlich auch die leicht durchgeknallt wirkende Aufbruchsstimmung, wohl auch die Suche nach den alten Wurzeln, die die - gemeinsam mit Tallin - aktuelle Kulturhauptstadt im Südwesten Finnlands umtreibt.

Turku ist der Methusalem unter den finnischen Städten, die alte Dame. Im 13. Jahrhundert ging es los: Bischofssitz 1229, um 1280 der Baubeginn der Kathedrale und der Turkuer Burg. Letztere findet sich in einem aktuellen Donald-Duck-Heftchen verewigt - auch so eine Geschichte im Zusammenhang mit Turku 2011.

Mit winterlichen Laternenpicknicks, Schattenspielen, zwei Opernpremieren, ambulanten Saunen, einem Unterwasserkonzert wird seit Anfang des Jahres Stimmung gemacht - unter anderem.

Spaziert man den Auris-Fluß, die graubraune Lebensader der lange Zeit von Schweden geprägten, bis heute praktisch zweisprachigen Hafenstadt entlang, dann finden sich mit jedem Schritt weitere Indizien für die aufgekratzte Verfassung, die Turku/Abo - letzteres der schwedische Name der Studentenstadt - zur Partymeile mit viel Frischluft macht.

Soeben ist der diesjährige City-Marathon zu Ende gegangen. Auch wenn das Denkmal des legendären Turkuer Marathonmanns Paavo Nurmi - Laufwunder der Zwanzigerjahre - noch immer die kupferspangrünen Waden vorstreckt. Volksfestcharakter herrscht rund um die Bar-Boote am Flussufer.

Selbst die Beiboote der hier vertäuten Kähne haben sich mit erstaunlich geschwätzigen jungen Finnen gefüllt, die hier neben Rettungsringen und Ruderpinnen feiern, trinken, flirten. Wer an diesem Abend untergeht, tut das in bestem Mittsommerfeten-Stil: in einer großen Pfütze aus Bier und Schnaps. Die Interventionen des Kulturhauptstadtjahres mischen sich da mit leiseren Tönen unter das Volk - zumindest gelegentlich.

Da wäre der golden tätowierte Pflasterstein, auf dem Künstler Timo Takala seine Marja küsste - zumindest besagt das eine seiner Minigravuren an der Slottsgatan 24. In die kleine Tigerstedt-Wallenstjerna-Kapelle der altehrwürdigen Kathedrale - schön auf einem rasengrünen Granitbuckel gelegen - haben sich gar Andy Warhols Werke verirrt. Wie andere Arbeiten folgen auch sie dem "Letzten Abendmahl"-Motiv.

Himmelsgeschenk

"Neighbour Coffee", eine ganz andere Kampagne begnügt sich indessen mit gemeinsamen Kaffee. Alles, was es dazu braucht: Die eigens dafür entworfenen Einladungskärtchen ausfüllen, und dem Nachbarn in den Postkasten schieben. Weiter am "Flux Aura"-Trail, der wie ein Such- und Versteckspiel durch die Stadt führt: Mit Spiegelmosaik vollflächig überzogene Granitblöcke blitzen da im Halbschatten des Burgparks - "Gifts von Heaven" hat Kari Cavén die Objekte getauft.

Und dann gibt es natürlich auch noch Daisy, den Star unter jenen Natur-Pop-ups, mit denen die regionalen Künstler das eigentliche Leitmotiv gefunden haben: Ein Gänseblümchen auf Doping-Diät, gut zehn Meter lang, von Anfang an der erklärte Liebling der Turkuer.

Sauna-Floß

Spaziert man von Daisy den Fluss entlang, kann man im "Turku Museum of Art" dem Blubbern einer technoiden Unterwasserwiese lauschen. Und dem Rauschen des Wassers, das die aus alten Lautsprechern generierten Blumenköpfchen umgibt.

Gepflanzt hat sie Villu Jaanisoo, und zwar im Rahmen der Ausstellung "Water - Sense and Sensation", die hier ein noch weit finnischeres Projekt ergänzt: nämlich Turkus SaunaLab, das diesen Sommer neue Sauna-Erfahrungen ermöglicht. Das schwimmende Sauna-Floß "Sauna Obscura" etwa, das die Schwitzenden wie ins Innere einer Kamera verbannt und mit wechselnden Bildern versorgt.

Ein weiteres der vier SaunaLab-Projekte hält neben dem "Turku Museum of Art" soeben zwei deutsche Touristen auf Trab, die sich die Stadt aus der Wasserdampf-Perspektive anschauen.

Wie ein überdimensionales Gurkenglas sieht die Kunstsauna aus, die zwischen nordischen Stauden, vor allem aber am Rande einer stark frequentierten Strasse, vom ständig hellen Sommerhimmel gefallen scheint. Die vorbeischlendernden einheimischen Passanten riskieren bestenfalls flüchtige Seitenblicke auf den gläsernen Wellnesskäfig - sie haben sich an die Präsenz der Saunagäste im Stadtbild längst gewöhnt. (Robert Haidinger/DER STANDARD/Printausgabe/16.07.2011)