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Jovan Divjak (74) wurde am 4. März in Wien verhaftet und kam auf Kaution frei. Serbien stellte einen Auslieferungsantrag. Divjak, einziger serbischer General der bosnischen Armee, wird von Serbien beschuldigt, an Kriegsverbrechen bei einem Angriff am 3. Mai 1992 auf abziehende Soldaten der Jugoslawischen Volksarmee beteiligt gewesen zu sein.

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Selbst ein Serbe, verteidigte er die Stadt Sarajevo auf der Seite der Bosniaken. Mit ihm sprach Adelheid Wölfl.

STANDARD: Sie wurden Anfang März in Wien wegen eines serbischen Haftbefehls festgenommen. Warum dauert das Verfahren so lange? Ihr Anwalt sagt, dass er in ein bis drei Wochen mit einer Entscheidung über ihre Auslieferung rechnet.

Divjak: Diesen Satz habe ich in den letzten vier Monaten schon fünf Mal gehört. Ich glaube, es geht hier um ein politisches Spiel. Österreich will keinen Konflikt mit Serbien oder Bosnien haben. Die wissen, dass ich unschuldig bin. Sie haben einen Fehler gemacht, und jetzt suchen sie Auswege, wie sie aus dieser Situation wieder herauskommen. Mir sagt man, das Gericht warte auf die Meinung des Bundesasylamtes.

STANDARD: Das Justizabkommen zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien kommt nun doch nicht zustande. Ist das der Grund für die Verzögerung?

Divjak: Die Staatsanwaltschaft hat auf das Abkommen gewartet. Aber die hätten unabhängig davon schon längst zu einer Beurteilung meines Falls kommen müssen.

STANDARD: Die Interpol sagt, es gab gar keinen Haftbefehl gegen Sie. Verstehen Sie, warum Sie verhaftet wurden?

Divjak: Ich war selbst überrascht. Ich wurde im Jahr 2010 auch in München wegen des serbischen Haftbefehls überprüft, aber in Deutschland hat man die Meinung der Interpol von Lyon übernommen. Bereits 1995 hat ein serbischer Militäranwalt festgestellt, dass ich keine Verantwortung habe für den Vorfall in der Dobrvoljacka-Straße. Aber die Schuld liegt auch bei der bosnischen Staatsanwaltschaft, die den Fall nie abgeschlossen hat. Sonst würde ich jetzt nicht in Österreich sitzen.

STANDARD: Sind Sie seit dem serbischen Haftbefehl 2009 schon öfter nach Wien geflogen?

Divjak: Ja. Sicher zwei-, dreimal, und es ist nie etwas passiert.

STANDARD: Was ist tatsächlich an diesem 3. Mai 1992 in der Dobrovoljacka-Straße in Sarajevo passiert, als die Jugoslawische Volksarmee die Stadt verlassen hat.

Divjak:Es war ein unnötiger Zwischenfall, in einer chaotischen Situation. Ich habe von der Schießerei gehört, und ich habe das Kommando gegeben: Nicht schießen! Und ich glaube, dass ich dazu beigetragen habe, dass es nicht noch mehr Tote gab.

STANDARD: In Bosnien-Herzegowina wird die Debatte über Kriegsverbrechen politisch instrumentalisiert. Wie kommt man aus dieser Situation heraus?

Divjak: In Bosnien sind immer die anderen schuld. Es muss eine internationale Wahrheitskommission wie in Südafrika geben, um den Frieden und Wiederaufbau zu schaffen.

STANDARD: Der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, hat gemeint, dass Sie in der RS verhaftet werden würden, wenn ein Haftbefehl gegen Sie vorliegt.

Divjak:Er macht Propaganda. Es ist eine große Schande für die EU, dass die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu ihm nach Banja Luka geflogen ist. Er betreibt Nationalismus. Ich habe den Eindruck, Europa hat keine Ahnung, was man mit Bosnien machen soll. Aber man braucht so einen wie Dodik, der für Unruhe sorgt. Damit die "Internationals" , die 10.000 oder 15.000 Euro im Monat verdienen, in Bosnien-Herzegowina bleiben können.

STANDARD: Wie kann man den Stillstand in Bosnien-Herzegowina auflösen?

Divjak: Es braucht eine Konferenz und eine neue Verfassung, die alle Bürger gleichstellt. Es sollte fünf oder sechs Kantone geben, die aber nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu Nationalitäten gebildet werden. Weil jetzt haben wir in den zwei Landesteilen drei Völker, die jeweils im anderen Landesteil eine Minderheit sind.

STANDARD: Sie bekommen international viel Unterstützung, auch der FC Barcelona spielte für Sie. Fühlen Sie sich in Österreich verkannt?

Divjak:Wäre ich nicht verhaftet worden, wüsste ich gar nicht, wie viele Freunde ich habe. Ich war in 15 Ländern eingeladen wegen meiner Arbeit für die Kinder, die Opfer des Kriegs wurden. Europa kennt mich sehr gut. Die Österreicher wissen nichts davon.

STANDARD: Was fehlt Ihnen am meisten an Sarajevo?

Divjak: Meine Familie und Freunde, mein täglicher Spaziergang an der Miljacka, und dass ich ein alkoholfreies Bier trinke, falls der Reis (Großmufti von Bosnien, Anm. der Red.) vorbeigeht (lacht).