Dass das Einkommen von zahlreichen Faktoren abhängt, ist nicht nur eine Alltagsweisheit, sondern auch in der Forschung etabliert. Individuelle Faktoren wie Persönlichkeit, Geschlecht und Arbeitseinsatz spielen hier ebenso eine Rolle wie die Tätigkeit in den "richtigen" Unternehmen und der Kontakt zu wichtigen Personen und potenziellen Förderern. Aber wie hängen diese Einflussfaktoren zusammen?

Verdienen Menschen mit ausgeprägter "Erfolgspersönlichkeit" nur deswegen mehr, weil sie in erfolgreicheren Firmen tätig sind und/oder profitablere Kontakte knüpfen? Was ist letztlich wichtiger für den Gehaltsscheck: Geschlecht, Persönlichkeit, die richtige Firma, die richtigen Netzwerke oder einfach, wie viele Stunden pro Woche man in die Arbeit steckt?

Eine Betrachtung der direkten und indirekten Effekte der genannten Faktoren auf das Einkommen für 150 Wirtschaftsabsolventen mit Studienabschluss um 1990 zeigt folgende Ergebnisse:

  • "Erfolgspersönlichkeit" (Führungs- und Leistungsmotivation, Flexibilität, Streben nach Geld und Prestige), männliches Geschlecht und Wochenarbeitszeit haben gleich starke direkte (positive) Auswirkungen auf das Einkommen.
  • Eine ausgeprägte "Erfolgspersönlichkeit" begünstigt darüber hinaus das Knüpfen förderlicher Kontakte (zum Top-Management innerhalb des Unternehmens, zu wichtigen externen Personen und zu potenziellen Mentoren), geht aber auch mit einem höheren Arbeitseinsatz einher (gemessen an den wöchentlichen Arbeitsstunden). Wochenarbeitszeit und Kontakte hängen hingegen nicht zusammen; es gibt also hier keine Anzeichen dafür, dass Arbeitseinsatz den Weg zu guten Netzwerken ebnet.
  • Auch die Zugehörigkeit zu erfolgreicheren Unternehmen (gemessen an Größe und Marktführerschaft) wirkt sich einkommenssteigernd aus; diese Zugehörigkeit lässt sich ihrerseits aber nicht durch Persönlichkeit, Geschlecht oder Wochenarbeitszeit erklären.
  • Der Einkommenseffekt besserer Netzwerke fällt etwas bescheidener und weniger eindeutig aus; das Geschlecht spielt im Unterschied zur Persönlichkeit für das erfolgreiche Networking keine bedeutende Rolle (den Ergebnissen zufolge haben Frauen in der o. g. Kohorte sogar tendenziell die besseren Netzwerke), Unternehmensgröße und Marktführerschaft überhaupt keine.

Insgesamt deuten die Ergebnisse somit darauf hin, dass Persönlichkeit direkt und indirekt das erzielte Einkommen beeinflusst; Geschlecht und Wochenarbeitszeit hingegen nur direkt. Weiters finden sich keine Anzeichen dafür, dass Einkommensvorsprünge großteils auf der Zugehörigkeit zum "richtigen" Unternehmen oder auf besseren Kontakten beruhen, was auch an einer gewissen und postulierterweise zunehmenden "Kurzlebigkeit" dieser Erfolgsfaktoren beruhen mag. Und es zeigt sich im Umstand, dass mehr als die Hälfte der Einkommensunterschiede durch die genannten Faktoren nicht erklärt wird: Der Zutatencocktail für den finanziellen Erfolg bleibt großteils schwer messbar bzw. ein Geheimrezept. (Michael Schiffinger, DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.7.2011)