Das Stück "Leonce und Lena" am Warschenhofergut in Gallneukirchen.

Foto: Mayer

Wenn Ensembles ausziehen, um ihre Sommertheaterstätte zu finden, tun sie dies manchmal auch, um üppige Landschaft, Bühnenbilder und Gespräche an Stehtischchen zu bieten. Nicht so die Bühne 04, die in einem Bauernhof-Dachboden in der Nähe von Gallneukirchen eine reduzierte Bühne bietet, um Leonce und Lena in Szene zu setzen. Prinz Leonce vom Reiche Popo und Prinzessin Lena von jenem der Pipi wurden ohne ihr Wissen und ohne einander zu kennen miteinander verlobt. Keiner der beiden aber will mit dem System der Eltern konformgehen und heiraten. Beide allerdings aus unterschiedlichen Gründen.

Leonce (Rudi Müllehner) scheut Verantwortung, liebt die Poesie und große Ideen, verhält sich jedoch in Ansätzen schon ganz wie der Vater.

Lena möchte einfach sie selbst und frei sein, frei auch von Liebe und Bindung. Am Ende landen sie jedoch an genau dem Platz und in genau der Beziehung, die ihnen zugedacht waren. Herrscher, die an den Bedürfnissen "ihres" Volkes vorbeiregieren, ein Volk, das diese Ignoranz hinnimmt, scheinbar sich auflehnende Nachkommen, die doch ob ihres Strukturkonservatismus der Aufrechterhaltung des Systems zuarbeiten - all das ist auch 174 Jahre nach Büchners Tod nicht aus der Zustandsbeschreibung einer europäischen Realität zu leugnen.

In der Fassung der Bühne 04 aber darf Lena ihre Krone ebenso wie den Brautschleier vom Kopf werfen und noch einmal von der Bühne fliehen. Ein Ende, das - verkörpert durch die 18-jährige Ruth Oberhuber - noch einmal mehr Authentizität vermittelt. Sie verleiht der nach Selbstständigkeit sich sehnenden Lena so viel zeitgemäße Radikalität, wie Büchners ohnehin schon systemkritischer, politischer Text im Jahr 2011 braucht. Kluge Regieeinfälle (Cornelia Metschitzer) machen andere verzeihlich. Ein bisschen weniger textlich-dekorative Musikstücke hätten dem Stück nicht geschadet. (wkh, DER STANDARD - Printausgabe, 16./17. Juli 2011)