Tobias Moorstedt / Jakob Schrenk, "Im Notfall Buch aufschlagen. Tipps für alle möglichen Katastrophen". € 9,00 / 272 Seiten, Rororo Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 2011

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Jeder versierte Medienkonsument weiß es: Die Welt ist ein brandgefährlicher Ort und das Leben prinzipiell lebensgefährlich. Hier eine minimale Auswahl an Unbilden, die uns tagaus, tagein dräuen: Einbrecher, sonderbare Krankheitskeime, U-Bahn-Schläger, Hells Angels, außer Rand und Band geratene Bankster, die uns mit fiesen Tricks das Geld abknöpfen wollen, plötzliche Hagelschauer, Schneebretter, Panikattacken, Pitbulls, Piraten vor Eritrea, Terroristen usw. usf.

Angesichts dieser knüppeldichten, durch das Brennglas der Medien auch noch um ein Vielfaches vergrößerten Gefahrenlage haben die beiden jungen deutschen Journalisten Jakob Schrenk und Tobias Moorstedt (er ist den Lesern als regelmäßiger ALBUM-Beiträger bekannt) ein gleich mehrfach nützliches "Notfallbuch" geschrieben. Es bietet, erstens, eine umfassende Bestandsaufnahme all dessen, was einem an Unerquicklichem blühen kann.

Häufig ist es so, behaupten die Autoren, dass Gefahrenwahrscheinlichkeiten vollkommen realitätswidrig eingeschätzt werden: Das Gefährlichste am Fliegen ist nicht das Fliegen selbst, sondern die Autofahrt zum Flugplatz. Überzogen ist auch meist die Furcht vor "Horrorchemikalien" (Zusatzstoffe, Pestizide) in Lebensmitteln, während das weitgehend unbekannte Campylobacter-Bakterium jährlich in abertausend Därmen Schäden bis hin zu Lähmungen stiftet. Auf dem Weg zur effektiven Gefahrenabwehr ist eine präzise Risikoeinschätzung schon die halbe Miete.

Lässt sich eine Gefahr nicht mehr abwehren, dann muss man mit ihr umgehen, am besten auf möglichst entspannte Art ("Umarme das Monster!", raten einander die Piloten der amerikanischen Air Force). Zu diesem Zweck haben die Autoren, zweitens, eine Fülle von Überlebenstipps der unterschiedlichsten Komplexitätsgrade zusammengetragen: Dem Campylobacter kann man sehr einfach den Garaus machen, indem man ihn zwei Minuten lang auf 70 Grad Celsius erhitzt. Erheblich vertrackter ist die Abwehr von einschlagenden Meteoriten: Hier müssen (in einer Vereinigung namens Spaceguard Foundation zusammengeschlossene) Spezialisten ans Werk, welche ohne Unterlass mit Riesenteleskopen den Himmel nach NEOs ("near-earth objects") abtasten. Haie lassen sich von beherzten Fausthieben aufs Auge beeindrucken, und falls man durch widrige Umstände (Zivilisationszusammenbruch) einmal gezwungen sein sollte, in den Status des Jägers und Sammlers zu regredieren, so hält Mutter Natur genug Nahrhaftes parat (Brombeeren, Distelstängel usf.). Einer meiner Lieblingstipps: Bei unvermutet eintretenden Dammbrüchen lässt sich aus dem Billy-Regal von Ikea ein gutes Fluchtfahrzeug basteln, um den Fluten zu entrinnen.

Wie die Autoren ironisch und elegant zwischen dem Handfesten und dem Extravaganten changieren, das macht das "Notfallbuch" zu einer amüsanten Lektüre, und, wer weiß, vielleicht sogar einmal zu einer lebensrettenden. Auf keinen Fall darf man dabei aber auf jene Maxime vergessen, die Moorstedt und Schrenk als Basisbotschaft aller Katastrophenfilme identifiziert haben: Gib niemals auf! (Christoph Winder, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 16./17. Juli 2011)