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Ende 1914 malte Gustav Klimt "Litzlberg am Attersee", das vom Salzburger Museum der Moderne  restituiert wurde 

Foto: APA/MUSEUM DER MODERNE SALZBURG
Grafik: Standard

Anfang Juli übersiedelte die Familie stets für zwei Monate in ihr Ferienrefugium an einem der Kärntner Seen. Die Südautobahn gab es damals in den späten 1960er- und '70er-Jahren noch nicht, stattdessen wälzte sich der kleine Konvoi von der steirischen Hauptstadt Richtung carinthische Sommeridylle. Die Bademode wechselte, auch der Lesestoff, nur ein Zubehör blieb über Jahrzehnte immer das gleiche: Ein 110 mal 110 cm großes Gemälde, das zwischen anderen Utensilien verfrachtet wurde, weil es der Vater keinen einzelnen Tag missen mochte.

In den 1960er-Jahren hatte er einem Kärntner Hotelier den Blickfang abgekauft, und seither hatte Gustav Klimts Kirche in Cassone fast den Status eines Familienmitglieds. Unvorstellbar, erinnert sich sein Sohn, ob dieser Kühnheit schmunzelnd, dass wir dieses wertvolle Kunstwerk jahrelang hin und her transportiert haben. 2009 war der letzte gemeinsame Sommer, dann entschloss sich die Familie das Gemälde zu restituieren. Man musste nicht, aber man wollte, und es blieb bis heute das einzige private Agreement dieser Art in Österreich.

Rechts vom Erker

Detaillierte Recherchen der Provenienzforscherin Ruth Pleyer hatten nachgewiesen, dass es sich um eines von zwei Werken Klimts aus der Sammlung Amalie Redlichs (geborene Zuckerkandl) handelte, die seit der Arisierung des Sanatoriums Purkersdorf als verschollen galten. Im Februar vergangenen Jahres gelangte Cassone bei Sotheby's in London zur Versteigerung. Der Erlös, umgerechnet 30,72 Millionen Euro abzüglich der Provision des Auktionshauses, wurde zwischen den ehemaligen Privatbesitzern und George Jorisch, dem Enkel Amalie Redlichs aufgeteilt. Wer das 1913 gemalte Landschaftsbild nun besitzt, ist unbekannt.

Als "Spinatlandschaft" hatte Jorisch das Bild der Grünpalette und dem dunklen Kadmiumton der Zypressen wegen in Erinnerung. 1939 kurz nach der Arisierung hatte er es ein letztes Mal gesehen, an der Salonwand der Villa Eugen auf dem Gelände des Sanatoriums, gleich links neben einem Erker. Und rechter Hand hing ein zweites, das Gegenstück sozusagen, auch ein Gardaseemotiv, wie er mutmaßte und 1999 auf der Suche nach dem verschollenen Kunstgut in einem Brief an das Bundesdenkmalamt zu beschreiben versuchte. Die lapidare Antwort: Klimt habe nur zwei Gardaseestücke geschaffen, Cassone sei in Privatbesitz und das andere, Malcesine (Slg. Lederer), sei verbrannt. Man hatte nur auf die Betitelung, nicht aber auf die Beschreibung geachtet.

Fehlende Puzzlesteine

Am Nachmittag vor der Auktion im Februar 2010 unterhielten sich Ruth Pleyer und George Jorisch in einem Hotelzimmer in London. Wie stets kam man auf das noch ungelöste Rätsel zu sprechen. Die Forscherin erwähnte gegenüber dem Redlich-Enkel ein weiteres Merkmal des zweiten noch nicht identifizierten Gemäldes, das sein Vater 1947 in einem Schreiben an die Behörden erwähnt hatte: eine blumige Wiese. Eine blumige Wiese? Nein, an eine solche könne er sich nicht erinnern, stattdessen an den See im unteren Bildviertel wie bei Cassone, ja, und im Hintergrund ging so ein Hang hinauf. Zurück in Wien, arbeitete sich Pleyer neuerlich durch die Archivalien, und aus einer Mutmaßung wurde Ende 2010 Gewissheit.

Susanne Rolinek, Provenienzforscherin des Museums der Moderne Salzburg (MdM), und Franz Eder, ehemaliger Verlagsleiter der Galerie Welz, wo 1967 das erste Klimt-Werkverzeichnis (Nowotny & Dobay) erschienen war, steuerten die fehlenden Puzzlesteine bei. Zweifelsfrei handelt es sich um Litzlberg am Attersee. Seit Jahren hatte das MdM sich um eine Klärung der Provenienz des seit 1944 im Bestand befindlichen Gemäldes bemüht. Nun lag die Lösung des Rätsels vor, und man entschied sich zur Restitution.

Landschaft zum Vergnügen

Von 1908 an hatte Gustav Klimt die Sommermonate am Attersee verbracht, am noblen Westufer in Kammerl. Nur ein Mal, 1913, reiste er nach Italien an den Gardasee. 1914 schlug er sein Quartier wieder im Salzkammergut auf, in Weißenbach am südlichen Ende des Attersees. Das 110 mal 110 cm große Gemälde entstand dann nach der Rücker von der Sommerfrische in Klimts Hietzinger Atelier. Anders als die beauftragten Dekorationsporträts malte der Künstler solche Landschaften, in denen sich die Sinnesempfindungen eines Sommertages verdichten, zu seinem Vergnügen und für den freien Markt. So kam Litzlberg auch in den Besitz der Familie Zuckerkandl.

97 Sommer später gelangt es (wie schon Cassone) bei Sotheby's zur Auktion. Von Christie's, erklärt Jorisch-Anwalt Alfred Noll, habe er im Vorfeld kein Angebot erhalten. Nachsatz: Sein Mandant fühle sich außerdem von Sotheby's großartig betreut. Auf 25 Millionen Dollar (17,59 Mio. Euro) beläuft sich der offizielle Schätzwert, der im Vergleich zu bisher für Landschaften erzielten Preisen moderat angesetzt wurde. Ein Umstand, den man George Jorisch verdankt, wie Andrea Jungmann, Chefin der Sotheby's-Niederlassung in Wien bestätigt. Grundvernünftig, den Rest entscheiden im Zuge des Impressionist-&-Modern-Art-Evening-Sales in New York dann die potenziellen Interessenten und der künftige Besitzer. Gesichert ist, dass der Redlich-Enkel vom Erlös 1,3 Millionen Euro an das MdM spenden wird.

Wie bei keinem anderen Künstler österreichischer Provenienz profitierte die Marktentwicklung hier von Rückgaben: Sieben der bislang zehn höchsten in einem Auktionssaal weltweit verzeichneten Zuschläge (siehe Tabelle) erteilte man an seit 2003 restituierte Kunstwerke. An der Spitze steht das Bildnis Adele Bloch-Bauer II - nicht zu verwechseln mit der ersten Fassung des Porträts (135 Mio. Dollar, Ronald Lauder) -, gefolgt vom ebenfalls an die Erben nach Bloch-Bauer zurückerstatteten Birkenwald und Jorischs Kirche in Cassone. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 16./17. Juli 2011)