Bild nicht mehr verfügbar.

Grafik: APA

Rom - Das italienische Abgeordnetenhaus hat am Freitag dem Sparpaket der Regierung von Premier Silvio Berlusconi zugestimmt. Bei 316 Ja-Stimmen zu 284 Nein-Voten und zwei Enthaltungen nahm die Kammer die Sparmaßnahmen an, mit denen Italiens Staatsschuld bis Ende 2014 um 70 Milliarden Euro reduziert werden soll. Das Sparpaket war bereits am Donnerstag vom Senat abgesegnet worden.

Die Regierung von Premier Silvio Berlusconi hatte das Sparpaket, mit dem das Defizit bis 2014 auf 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesenkt werden soll, mit einer Vertrauensabstimmung verknüpft. Angesichts der Sorge vor einem Übergreifen der Finanzkrise aus Griechenland hatte die Opposition auf Änderungsanträge verzichtet, um das Sparpaket möglichst rasch zu verabschieden. Allerdings stimmte sie bei dem Votum gegen das Paket und forderte den Rücktritt der Regierung. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti hatte das Paket zuletzt noch einmal deutlich verschärft.

Notenbank zufrieden

Die italienische Notenbank begrüßte die Verabschiedung. "Die Regierung hat die richtige Schritte für einen strukturellen Abbau der Staatsschuld unternommen", hieß es in einer Presseaussendung. Jetzt müsse die Regierung sich aber auch um Maßnahmen zur Ankurbelung der italienischen Wirtschaft bemühen.

An der Vertrauensabstimmung in der Abgeordnetenkammer beteiligte sich auch Berlusconi. Dieser weigerte sich, Fragen der Journalisten über die Sparmaßnahmen zu beantworten. Nach der Abstimmung traf Berlusconi Tremonti, Verfasser des Sparplans.

Die Opposition kritisierte die Einsparungen und bemängelte, dass vor allem die einkommensschwächeren Italiener die negativen Auswirkungen des Sparpakets zu spüren bekommen werden. Die Opposition kritisierte, dass Tremonti die angekündigten Kürzungen bei den Parlamentariergehälter aus dem Sparprogramm gestrichen habe.

Erhebliche Opfer

Das Sparpaket verlangt von den Italienern erhebliche Opfer. Nach Schätzungen von Experten wird es jeder italienischen Familie 1000 Euro an zusätzlichen Ausgaben im Zeitraum von zwei Jahren kosten. Die Gewerkschaften sprechen sogar von 1800 Euro. Sicher ist, dass die Italiener in den nächsten Jahren den Gürtel enger schnallen müssen. Bis 2014 werden die Gehälter der Staatsbeamten nicht mehr erhöht und kein neues Personal soll in der öffentlichen Verwaltung eingestellt werden.

Die Opposition kritisierte die einschneidenden Maßnahmen. Oppositionschef Pierluigi Bersani meinte, nach der Verabschiedung des Sparpakets solle die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurücktreten.

Inzwischen hat Italiens Staatsschuld einen neuen Rekordstand erreicht. Im Mai kletterte sie auf 1.897 Milliarden Euro, teilte die italienische Notenbank am Freitag mit. Das sind 0,36 Prozent mehr als im April, als die Zahlungsverpflichtungen auf ihren bisherigen Rekordwert angestiegen waren.

Die Regierung Berlusconi bekommt erste Proteste gegen den Sparplan zu spüren. Der Gewerkschaftsverband der Polizisten demonstrierte am Freitag vor der Abgeordnetenkammer in Rom gegen die im Sicherheitsbereich geplanten Einsparungen in Höhe von über einer Milliarden Euro. Mit den Einsparungen könne die Polizei nicht die Sicherheit im Land garantieren, warnten die Demonstranten.

Italien muss Märkte überzeugen

IHS-Chef Bernhard Felderer sieht Italien angesichts der zunehmenden Sorgen um die finanzielle Stabilität des Landes im "Fokus der Finanzmärkte". Wenn es nicht gelinge, dass Italien den Finanzmärkten zeigt, dass es das Defizit beherrscht und die Schulden zurückführen kann, "dann haben wir ein großes Problem, kein kleines mehr", sagte der IHS-Chef in Wien. Dass die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen Italiens am Dienstag über sechs Prozent geklettert sind, bezeichnete Felderer als "Schuss vor den Bug".

Das Land habe "ein Signal bekommen, es wird jetzt ernst, sie müssen etwas tun". Er würde diese Signale anstelle der italienischen Regierung nicht gering schätzen, sagte Felderer. Der Zinsanstieg vom Dienstag ist seiner Meinung nach aber nicht auf Spekulation zurückzuführen, sondern eher darauf, dass Manager von Pensionsfonds auf sichere Anlagen setzen. Und diese würden nun Investitionen in manche Länder in Europa eben meiden. "Da haben jetzt offenbar einige entschieden, wir meiden jetzt Italien", so Felderer.

Einen unkontrollierten, nicht geplanten Zahlungsausfall (Default) für Italien bezeichnete Felderer als "nicht machbar", das sei "ausgeschlossen". Es müsse eine andere Lösung geben, der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) nannte als Möglichkeit Schuldenstreckung oder Zins-Reduzierung. Gleichzeitig betonte er, dass Italien von einem Zahlungsausfall "noch sehr weit entfernt" sei. "Aber sicher ist: Die Italiener sind im ersten Stadium der Gefährdung."

Höhere Verflechtung mit anderen Ländern

Felderer verwies darauf, dass Italien eine wesentlich stärkere Volkswirtschaft als Griechenland habe, außerdem seien die Verflechtungen mit den anderen Euro-Ländern deutlich enger. "Es geht hier um viel, viel größere Summen", so der IHS-Chef. "Ich halte Griechenland nicht für ein wahnsinnig großes Problem, aber Italien schon."

Auch die politische Lage Italiens trägt laut Felderer zur Verunsicherung bei. Sollte Staatschef Silvio Berlusconi möglicherweise stürzen, sei völlig unklar, was danach kommt. Es sei nicht so überraschend, dass diese Situation die Investoren, die italienischen Staatspapiere kaufen, "jetzt doch vielleicht zum Nachdenken gebracht hat". Italien sei jetzt jedenfalls im Fokus der Finanzmärkte, so Felderer. (APA)