Washington/Wien - Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, war einiges Durchhaltevermögen - und vor allem eine eher geringe Ekelschwelle nötig. Seit vier Jahrzehnten nämlich beobachten Verhaltensbiologen im kenianischen Amboseli Nationalpark wildlebende Paviane. In den letzten neun Jahren kam noch eine weitere Untersuchungsmethode dazu: Die Forscher um Laurence Gesquiere von der Uni Princeton analysierten auch noch Abertausende Kotproben von insgesamt 125 Männchen.

Im Bild: Paviane am Beginn einer Kampfhandlung, die mitunter tödlich enden kann.

Jeanne Altmann

Das Interesse der Wissenschafter galt dabei im Besonderen den in den Pavianhäufchen enthaltenen Stresshormonen (sogenannten Glucocorticoiden) sowie dem männlichen Sexualhormon Testosteron. Beide Substanzen lassen Rückschlüsse darauf zu, wie sehr die Tiere gerade gestresst sind. Die Ergebnisse der Kotanalysen waren in der Form nicht erwartet worden, kamen aber auch nicht völlig überraschend.

Im Bild: Das erwachsene Männchen beobachtet wachsam die Aktivität der anderen Affen bevor es eingreift.

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Es zeigte sich nämlich, dass die Anführer der fünf untersuchten Pavian-Gruppen viel höhere Stresshormonspiegel hatten als die Männchen unmittelbar unter ihnen. Das gelte sogar, wenn die Gruppe stabil sei, schreiben die US-Primatologen gemeinsam mit kenianischen Kollegen im US-Wissenschaftsmagazin Science (Bd. 333, S. 357). Der entsprechende Hormonspiegel ist bei den Alpha-Männchen übrigens genauso hoch wie bei den rangniedrigsten Tieren, deren Stress allerdings vor allem vom Kampf gegen das Verhungern herrührt.

Im Bild: Ein gähnendes Männchen entblößt sein beeindruckendes Gebiss. Gähnen dienst oft auch als Drohgebärde gegenüber anderen Männchen.

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Hunger müssen die Bosse natürlich nicht fürchten. Zu den Vorteilen ihrer Top-Position gehört neben der sexuellen Vorrangstellung bei den Weibchen auch ein bevorzugter Zugang zum Futter. Doch die Position an der Spitze der Hierarchie fordert ihren Tribut, der bis dato von der Forschung unterschätzt wurde. Alpha-Männchen müssen permanent ihre Stellung verteidigen und sich gegenüber aufstrebenden rangniederen Tieren behaupten.

Im Bild: Ein erwachsenes Pavian-Männchen wacht aufmerksam über ein paarungsbereites Weibchen. Auch die permanente Beaufsichtigung der Weibchen und die allfällige Abwehr von männlichen Mitbewerbern kostet dem Boss viel Energie.

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Das kostet viel Energie und kann bei den wilden Kämpfen der Paviane zu schweren Verwundungen, ja sogar zum Tod führen. Kein Wunder also, dass auch die Bosse unter den Pavianen ziemlich gestresst sind. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 15.07.2011)

Im Bild: Bei den Rangkämpfen tragen die Männchen oft schwere Verletzungen davon. Dieses hatte Glück, denn die Wunde führte nicht zum Tode.


Abstract
Science: Life at the Top: Rank and Stress in Wild Male Baboons

Jeanne Altmann