Das Tanz- und Theaterfestival "sommerszene" zeigt, dass es in Salzburg mehr als nur Hochkultur gibt. Im Bild: Uraufführung von Davis Freemans "Expanding Energy".

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Die Bilanz der diesjährigen "sommerszene": 20 Tanz- und Theaterproduktionen und mehr als 12.000 Besucher. Im Bild: Opening Party mit der Band "The Bandaloop".

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Alfred Winter, Wegbereiter der heutigen "szene" kritisiert, dass es keine Plattform für junge Talente gibt.

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Die Anfänge der Alternativkultur in Salzburg: Eine Gruppe rund um Alfred Winter organisierte Auftritte von Künstlern und Musikern am Salzachufer.

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Rock&Blues-Frühstück, Tanztheater, österreichisches Kabarett und Hardcore-Konzerte. Für Events dieser Art ist Salzburg nicht gerade bekannt. Schlagwörter wie Mozart, Sound of Music oder die Salzburger Festspiele sind in den Medien allgegenwärtig, selten wird über die Stadtgrenzen hinaus über alternative Kulturangebote berichtet. Dabei hat die knapp 150.000-Einwohner-Stadt an der Salzach auch abseits der Hochkultur einiges zu bieten.

Wegbereiter Alfred Winter

Als Vorreiter der Alternativkultur in Salzburg gilt Alfred Winter, der heute als Landesbeauftragter für kulturelle Sonderprojekte des Landes Salzburg tätig ist. Der in Salzburg lebende Niederösterreicher war gerade einmal Anfang 20, als er 1967 den Club 2000 gründete, der später unter dem Namen "Szene der Jugend" bekannt wurde. "Wir haben damals empfunden, dass im Sommer einfach nichts los war", erinnert er sich zurück. Donnerstags traf man sich zum Clubabend im damaligen Höllbräu, wo man über die unterschiedlichsten Themen, von Anti-Baby-Pille bis Anti-Kriegsbewegung,  diskutierte. "Otto von Habsburg hat in unserer Runde seinen ersten Vortrag in Österreich gehalten", erzählt der heute 65-Jährige.

Hotel beschwerte sich über Lärm

Neben den Clubabenden lud die Truppe rund um Winter immer wieder zur "Magra" (Malerei und Grafik) ans Salzachufer, wo Maler, Poeten und Rockbands ihre Talente präsentierten. "Jeder, der sich für einen Künstler hielt, konnte dort auftreten", so Winter. Einmal kam sogar die Polizei, weil sich ein Hotel über den Lärm beschwert hatte. Winter hatte jedoch vorgesorgt und zeigte den Beamten die Genehmigung, woraufhin diese wieder abzogen.

Festspielgesetz verbot alternatives Sommerfestival

Es waren vor allem Maturanten, Lehrlinge und ein paar Studenten, die in der Folge auf die Idee kamen, ein Sommerfestival ins Leben zu rufen. Zuerst galt es jedoch, eine erhebliche Hürde zu meistern: Das damals noch bestehende Festspielgesetz verbot im Sommer anderweitige kulturelle Aktivitäten. Erst als dieses Verbot aufgehoben wurde, konnten Winter und seine Anhänger Anfang der Siebziger Jahre mit dem Sommerfestival "Szene der Jugend" starten.

"Bei uns war alles möglich. Manche sagten: Das ist ja ein Programm der Beliebigkeit", erzählt Winter, "aber genau das war eben das Programm." In den Folgejahren wurde mithilfe der Lokalpolitik der Petersbrunnhof als Aufführungsstätte durchgesetzt. Er bot ein erstes Podium für junge Talente, aber auch internationale Künstler wie das London Dance Theater holte Winter nach Salzburg.

"Keine Festspiel-Gegner"

Mit den Festspielen selbst kam die Jugendbewegung immer wieder in den Clinch, zum Beispiel als man sich auf Flugblättern ebenfalls als "Festival" - und zwar als jenes der "schmalen Brieftaschen" - bezeichnete. Oder als man aus dem berühmten "Jedermann" eine "Jederfrau - Spiel von einem Kind unserer Zeit" machte. Und auch, als der bei den Festspielen engagierte Geigenstar Gidon Kremer plötzlich auch für die "Szene der Jugend" auftrat. Als Gegner oder Konkurrent der Festspiele habe sich Winter aber nie gesehen. "Wir waren nie dagegen, wir sind häufig als Alternativ- oder Antifestspiel-Festival gepriesen worden - dabei wollten wir einfach nur unsere eigenen Sachen machen." Der Jugend wohlgesinnte Festspiel-Mitarbeiter hätten die junge Truppe damals sogar mit Scheinwerfern versorgt.

"Kein Chancengeber mehr"

Winter blieb bis 1981 bei der "Szene der Jugend", die sich weiterentwickelt hat und heute einfach nur mehr "szene" genannt wird. Im Zentrum stehen Bühnenkunst und Tanz, im Sommer wird das Tanz- und Theaterfestival "sommerszene" veranstaltet, während des Jahres wird im Veranstaltungssaal der Bar Republic zu Konzerten und Kabaretts geladen. Winter steht den Neugestaltungen nicht unkritisch gegenüber: "Es ist zwar der Lauf der Dinge, das sich Sachen mit der Zeit verändern. Aber das Projekt ist jetzt nicht mehr unbedingt alternativ, man ist nicht mehr wirklich Chancengeber."

Heute gibt es zahlreiche Kulturprojekte

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich darüber hinaus weitere alternative Kulturprojekte in der Stadt angesiedelt. "Wir haben den Bann gebrochen, danach hat sich viel Neues entwickelt", so Winter. Beispiele dafür sind der Verein Rockhouse, das Kulturzentrum ARGEkultur, der Musik-Club Jazzit, Das Kino, das freie Radio Radiofabrik, die Social-Profit-Organisation Akzente (Theater der Jugend) oder das Jugendzentrum Mark.

Kritik am Angebot an Alternativkultur

Und Trotzdem: Winter kritisiert an der heutigen Situation, dass es keine wirkliche Plattform gibt, die sowohl für junge Künstler als auch für das Publikum erschwinglich ist. "Das Hauptproblem sehe ich darin, dass es für junge Gruppen nicht leistbar ist, sich in Proberäume oder auf Bühnen einzumieten - auch wenn diese von der öffentlichen Hand gebaut wurden. Es fehlt eine offene Stätte, die Künstler zu erschwinglichen Preisen mieten können."

Die Stadt an der Salzach hat also nicht nur Hochkultur, sondern auch Alternativkultur zu bieten. Und etwas haben diese beiden "Gegenpole" sogar gemeinsam: Auch die Salzburger Festspiele gingen einst aus einer Graswurzelbewegung hervor - die Idee dazu kam direkt von den Bürgern. (Maria Kapeller, derStandard.at, 12. August 2011)