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Veli Kavlak und Tanju Kayhan ist ihr Trainer abhanden gekommen.

APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER

Zekeriya Öz, der mächtige Staatsanwalt, hat seinen Zeigefinger über dem Stadtplan von Istanbul kreisen lassen. Und der ist dann auf der anderen Seite des Bosporus gelandet, dieses Mal mitten im Inönü-Stadion, wo Besiktas arbeitet und ein österreichisches Legionärstrio. Das muss jetzt erst einmal ohne Trainer auskommen. Auch Tayfur Havutcu ist nämlich verhaftet worden und komplettiert die Reihe der Zellengäste im bisher größten Betrugsskandals des türkischen Fußballs. Der ebenfalls verdächtigte Besiktas-Vizepräsident Serdal Adali hat sich ins Spital bringen lassen.

Vor acht Monaten hatte Sonderstaatsanwalt Öz die Ermittlungen über geschobene Spiele und geschmierte Schiedsrichter aufgenommen. Öz, der auch die vielfach kritisierte Verhaftung von türkischen Journalisten veranlasst hatte und mittlerweile befördert wurde, soll immer noch sein Auge auf den immer größer werdenden Justizakt werfen. Nach Fenerbahce steht seit Wochenmitte auch der zweite große Traditionsverein in Istanbul am Pranger.

Die Vorwürfe gegen Besiktas könnten am Ende zumindest auch indirekt Legionär Ekrem Dag betreffen. Laut türkischen Medien vermutet die Polizei Tricksereien im Cupfinale zwischen Besiktas und Belediyespor im vergangenen Mai. Besiktas gewann mit Dag im Elferschießen, Tanju Kayhan und Veli Kavlak kamen erst später im Monat von Rapid.

"Mit 300 in die Mauer"

Mehr als 80 Funktionäre und Spieler sind nun in Haft, bei mindestens 19 Spielen der Süperlig haben die Ermittler Zweifel, und möglicherweise sechs Vereinen droht der Zwangsabstieg. Doch in drei Wochen, am 5. August, soll allem zum Trotz die neue Saison losgehen. "Wir fahren mit 300 Kilometern in der Stunde in die Mauer", stellt der Fußballkommentator Ali Murat Hamarat fest. Die neue Saison sollte besser gleich um einen Monat auf Anfang September verschoben werden, meint er im Gespräch mit dem Standard. "Dieses Chaos zieht auch die unbelasteten Vereine mit hinunter."

Schiedsrichter auf Bestellung

Wie lange der türkische Fußballverband eigene Untersuchungen über die Manipulationsvorwürfe hinauszögern kann, ist fraglich. Der Verband will erst die Anklagen gegen die Vereine abwarten und steckt doch gleichzeitig selbst im Betrugsskandal. So soll die Polizei ein Telefongespräch des Fenerbahce-Präsidenten Aziz Yildirim mit einem Verbandsvertreter verfolgt haben. "Schickt mir Cüneyt Cakir", ordnete Yildirim vor einem Spiel gegen Besiktas an. Schiedsrichter Cakir kam und ließ das Lokalderby im Februar mit 4:2 für Fener ausgehen.

Yildirims Festnahme und die anschließende Anklageerhebung wegen Betrugs und Bildung einer kriminellen Organisationen gilt als Zäsur im türkischen Fußball. "Das ist wie die Festnahme eines Armeegenerals. Jeder ist überrascht", sagt der Kolumnist Mithat Fabian Sözmen. Klubs wie Fenerbahce seien so stark, populär und angeblich mit dem Staat wie mit der Mafia verbunden, dass sich niemand richterliche Ermittlungen vorstellen konnte.

Die Medien breiten nun täglich Betrugsvorwürfe aus, die sie erfahren haben wollen: 300.000 Dollar soll Yildirim Spielern von Ankaragücü über einen Mittelsmann angeboten haben, um deren Eifer zu bremsen (6:0 für Fener). Der Torwart von Sivasspor zeigte nach möglicher pekuniärer Behandlung bei einem Spiel gegen Fener überraschende Schwächen. 100.000 Dollar wurden Ibrahim Akin von Belediyespor vor dem Cupspiel gegen Beºiktaº offeriert. Akin wie sein Teamkollege Iskender Alin sollen das nun bestätigt haben. "Das wäre sehr gefährlich für Fener und Besiktas", meint Kommentator Hamarat. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD Printausgabe 15.07.2011)