Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zählen sie zu den besten Kunden: Russland und die Türkei. Weil die Türkei aber Mitglied der EU werden will, wird man einen – im Allgemeinen gänzlich folgenlosen – Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats wohl genauer ansehen dürfen.

Thomas Hammarberg, ein schwedischer Diplomat mit langer Erfahrung, hat einiges aufgelistet: Staatsanwälte, die viel zu eifrig sind; Rechtsverfahren, die viel zu lange vor sich hindümpeln und Angeklagte ohne Urteil in Haft lassen; eine Verfassung aus den Tagen des Militärs, die Pluralismus nicht toleriert. Das Fazit: Die Türkei ist immer noch ein Staat, der sich gegen seine Bürger verteidigt, nicht einer, der das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt.

Eine neue zivile Verfassung ist das erklärte Ziel von Regierung und Opposition in Ankara. Mit Geduld und Geschick bei den Verhandlungen im Parlament wird sie auch kommen. Ob eine neue Verfassung aber den konservativen staatsgläubigen Geist ändert, der in den Köpfen der türkischen Politiker spukt, ist eine ganz andere Frage. Bisher sind es die führenden Politiker des Landes und allen vor an der Premier, die die Vagheit der Gesetze ausnutzen und systematisch Verleumdungsklagen gegen Journalisten führen. So wird der Staat, der sich verteidigt, am Ende vielleicht nur umgemodelt zum Staat, der seine Bürger gängelt – mit Internetzensur und Schutz von „Moral“ und „Ehre“. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 14.7.2011)