Screenshot von HC Straches Facebook-Seite und dem besagten Post. Beschuldigter S. wurde mehrere Stunden lang öffentlich angeprangert.

Foto: derStandard.at/Screenshot

Ende vergangener Woche veröffentlichten Hacker - wie berichtet - Telefonnummern von FPÖ-Politikern im Internet. In einer Erklärung begründeten die Verantwortlichen ihre Aktion unter anderem damit, dass die freiheitliche Partei "Feind der Demokratie und der universalen Menschenrechte" sei. In einer Aussendung zeigte sich FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl über die Aktion empört und erklärte, dass man rechtliche Schritte in die Wege leiten werde. "Die mangelnde Demokratiefähigkeit mancher Kreise offenbart sich hier wieder besonders deutlich. Wir werden sowohl den Handy-Diebstahl als auch jede einzelne Drohung zur Anzeige bringen", so Kickl. 

"Offensichtlich und mutmaßlich"

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache bemühte sich offenbar ebenfalls persönlich, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und veröffentlichte am Montag kurzerhand auf seiner öffentlich einsehbaren Facebook-Seite das Bild und den Profil-Link eines jungen Mannes, der "offensichtlich und mutmaßlich mit dem Handydiebstahl" zu tun habe.

"Zur Info! Dieser Mann könnte offensichtlich und mutmaßlich mit dem Handydiebstahl eines FPÖ-Mitarbeiters zu tun haben und hat auch in Folge die Handynummern von FPÖ-Politikern Online gestellt. Die Polizei ermittelt!", so Straches Meldung im Wortlaut (siehe Screenshot links).

Mehrere Stunden online

Die Statusmeldung war mehrere Stunden für alle Internetnutzer einsehbar. Nach sechs Stunden zählte die Meldung 17 "Likes" und knapp zehn Kommentare, in denen der beschuldigte Mann unter anderem als "Scheiß Zeck" beschimpft wurde. "Der typische Linke, den man nahezu bei jeder FPÖ-Veranstaltung live beim randalieren erleben kann. Warum ist wohl ein Synonym für Niedertracht nur LINK", schrieb ein Facebook-Nutzer. "Ja, linkisch und falsch versus rechtschaffener Bürger", so Straches Antwort darauf.

"Üble Nachrede"

Der beschuldigte Herr S. erfuhr von seiner Zur-Schau-Stellung selbst erst durch Benachrichtigungen von Bekannten. "Ich wurde gestern in der früh angeschrieben und war dann ziemlich schockiert", so S. in einer Stellungnahme gegenüber dem WebStandard. "Dass mich Strache öffentlich als Verbrecher hinstellt, ist unglaublich. Ich habe in keiner Art und Weise etwas damit zu tun" erklärt S. Anstelle dessen habe er nichts anderes gemacht, als die Nachricht über den FPÖ-Hack sowie den Link zur Webseite mit den veröffentlichten Telefonnummern wie dutzende andere User per Facebook zu teilen. "Ich habe den Link zur Seite auf Facebook gepostet und einen Auszug aus der Anonymous-Mitteilung. Weil die Nachricht zu lang war, wurde sie von Facebook in eine Notiz umgewandelt, wobei ich sie dabei nicht beabsichtigt öffentlich gepostet habe", sagt S. So dürften auch Außenstehende auf seine Herr S' Facebook-Nachricht Aufmerksam geworden sein. "Mein 'Fehler' war es, den Link zur Seite öffentlich zu posten".

Angst um Rufschädigung

Dass Straches-Facebook-Meldung nach einem Tag wieder offline genommen wurde, habe S. der Intervention von Freunden und Bekannten zu verdanken. "Bis ich draufgekommen bin, worum es geht, war es später Nachmittag. Ich habe nichts getan, weil ich nicht wollte, dass es schlimmer wird". Mit dem Hack oder Diebstahl habe er nichts zu tun. Der ihm vorgeworfene Diebstahl sei schon deshalb nicht möglich, "da ich seit April in Deutschland lebe", so S. im Telefongespräch unter deutscher Nummer.

S. mache sich vor allem Sorgen um seinen Ruf. "Ich hoffe, dass das meinem Ruf nicht schadet", gibt sich der Betreiber einer kleinen Online-Marketing-Firma besorgt. Für sein Unternehmen, das mit dem Internet arbeitet, wäre eine "behördliche Untersuchung der absolute Supergau".

Rechtliche Schritte angeraten

Ob er rechtliche Schritte gegen Strache einleiten werde, weiß S. derzeit noch nicht. In einer Reaktion auf Straches öffentliche Anprangerung hätten sich "mehrere Anwälte" bei ihm gemeldet, um ihn zu vertreten. Medienanwältin Maria Windhager erklärte im Gespräch mit dem WebStandard, dass es sich um den "Tatbestand der üblen Nachrede" handelt. Nachdem Strache allerdings als Abgeordneter unter Immunität steht, müsse für die strafrechtliche Verfolgung zunächst ein Auslieferungsantrag erstellt werden. Naheliegend sei laut Windhager eher, dass S. "Entschädigungsansprüche" geltend machen könnte. Nach Paragraph 6 des Mediengesetzes könne der Mann Schadensersatz wegen übler Nachrede einfordern. Der Strafrahmen läge hier bei bis zu 20.000 Euro.

"Keine Richtigstellung veröffentlicht"

Laut Windhager müsse dabei festgestellt werden, wer tatsächlich für den Inhalt auf Straches Facebook-Webseite verantwortlich sei. Der FPÖ-Chef schreibt zwar unter eigenem Namen, dies bedinge rechtlich gesehen jedoch nicht automatisch die Verantwortlichkeit als Medieninhaber. Sollte es zu einem Verfahren aufgrund einer Schadenersatzforderung kommen, käme für Strache bei der Bemessung der Entschädigungshöhe zugute, dass man den Fehler durch die Offline-Stellung des Beitrags erkannt habe. Erschwerend käme allerdings hinzu, dass man "keine Richtigstellung veröffentlicht habe", so die Expertin. Gemessen an der Brisanz des Themas und des Publikationsrahmens (Straches öffentliches FB-Profil zählt allein über 100.000 Fans) sei Herrn S. angeraten, rechtliche Schritte zu erwägen. "Das ist aber mit viel Zeit und Geld verbunden", so  S., der sich ein Tag nach dem Vorfall vor allem schockiert zeigt. "Dass mich Strache öffentlich als Verbrecher hinstellt, ist unglaublich."

"@HCStrache2010 Expect us if you accuse innocent people!"

Offensichtlich als Reaktion auf das Facebook-Posting von Strache kündigte Anonymous Angriffe auf dessen Webseite www.hcstrache.at an. Am Mittwoch war die Seite zeitweise nicht erreichbar. Via Twitter richtete Anonymous aus: "@HCStrache2010 Expect us if you accuse innocent people!"

Update 14.7., 13:00 Uhr:

Auf eine telefonische Anfrage des WebStandards bezüglich einer Stellungnahme der FPÖ erfolgte bis Donnerstagnachmittag bisher keine Antwort. Sollte sich die Partei zu dem Fall noch äußern, wird der Artikel ergänzt.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 13.7.2011 - Mitarbeit: sum)