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Gemeinsam sind wir stärker: Ameisen zeigen vor, wie intelligent Tiere im Kollektiv sein können.

Foto: REUTERS/Zainal Abd Halim

Zahllos sind die Geschichten, die über Tiere erzählt werden, die als Individuen erfolglos sind, im Kollektiv aber eine für ihre Art außergewöhnliche Intelligenz entwickeln. Ameisen sind das populärste Beispiel: Sie hinterlassen bei erfolgreicher Futtersuche Duftstoffe (Pheromone) und locken so ihre Artgenossen auf die richtige Fährte. Bienen schaffen es nach jüngsten Erkenntnissen sogar, gemeinsam die Temperatur im Bienenstock auf den Idealwerten zu halten. Pinguine bewegen sich im Schwarm langsam und rhythmisch, um sich gegenseitig zu wärmen. Ein ähnliches Bild geben Vögel ab, die sich in großen Gruppen zu schwarzen Wolken am Himmel formieren, ohne dass sich ein Tier verletzt.

Informatiker versuchen seit einigen Jahren, aus diesen Erkenntnissen Schlussfolgerungen zu ziehen – und selbstorganisierende Systeme zu entwickeln, die ein effizientes Management knapper Ressourcen ermöglichen.

In der Theorie sind sich die Forscher bewusst, wie es funktionieren muss: Das System besteht aus "Agenten", die für sich genommen relativ "dumm" sind, aber im Verbund mit anderen ihrer Art nach einer Logik agieren und das System "robust und anpassungsfähig an die Wünsche der Verbraucher" machen, wie Wilfried Elmenreich von Lakeside Labs in Klagenfurt erzählt. Er ist Organisator der Research Days zum Thema selbstorganisierende Systeme, die in diesen Tagen bereits zum vierten Mal veranstaltet werden und noch bis 15. Juli laufen. Heuer diskutieren Experten aus zehn Nationen über Anwendungsmöglichkeiten dieser Systeme.

Der Kreativität sind dabei scheinbar keine Grenzen gesetzt: Wie könnte zum Beispiel ein zukünftiges Mobilfunknetz 4G auf dieser Basis funktionieren? Wäre dann auch in der Praxis umsetzbar, was Techniker theoretisch bereits für möglich halten: dass ein User des Netzes einen zweiten, der derzeit schlechten Empfang hat, mithilfe eines dritten Users mit gutem Empfang erreichen kann? Und wie könnte man diesen möglichen "Helfer" überhaupt dazu bewegen, derart hilfsbereit zu sein? Was wird ihm also dafür angeboten?

In Klagenfurt wird derzeit auch über die Selbstorganisation in Energienetzen diskutiert: Wie müsste ein derartiges System aufgebaut sein, wie müssten die Endgeräte ausgestattet sein, um sinnvoll interagieren und kommunizieren zu können? Elmenreich: "Die Waschmaschine müsste dann wissen, wann der Strom so günstig wie möglich ist, und den Zeitpunkt des Waschgangs vorschlagen."

Ohne externen Operator

Gerade beim heurigen Research-Days-Thema Anwendungsmöglichkeiten scheint eine Eigenschaft der selbstorganisierenden Systeme im Zentrum des Interesses zu stehen. Sie werden nämlich von keinem externen "Operator" kontrolliert. "Unternehmen, die sich damit beschäftigen, stehen also vor einer Herausforderung", sagt Elmenreich, "weil sie die Kontrolle darüber, was im System passiert, nicht haben. Wie kann man dann also gewährleisten, dass es funktioniert und keine Ausfälle übersehen werden?"

Beispiele für den Einsatz solcher "demokratisch verwalteten Systeme" findet man derzeit nur im Internet. Wikipedia sei ein Musterbeispiel für eine "gelungene Umsetzung der Selbstorganisation". Hätte es hier Kontrollen von außen gegeben, "wäre der Erfolg wohl ausgeblieben". Auf dieser Basis entwickelten die Klagenfurter Forscher Roboterfußballmannschaften und testeten verschiedene Interaktionsmuster zwischen den "Agenten" nach den Prinzipien der Evolution. Das erfolgreichste Rezept war: den Gegner decken und die Mannschaft gleichmäßig nach vor und zurück verschieben. "Das ist, so viel ich weiß, auch in der Realität eine vielversprechende Taktik", sagt Elmenreich. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 13.07.2011)

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Wissen: Forschung am Wörtersee

Gleich neben der Alpen-Adria- Universität in Klagenfurt wurden 2008 die Lakeside Labs als Forschungscluster für Informations- und Kommunikationstechnologien gegründet. An dieser Schnittstelle zwischen Universität und Industriepartnern wie Infineon oder Asfinag arbeiten insgesamt 40 wissenschaftliche Mitarbeiter – gut ein Drittel davon internationale – an einem Dutzend Forschungsprojekten. Ein Ziel ist unter anderem, Kärnten trotz des Tourismusschwerpunkts auch als Technologiestandort zu etablieren.

"Selbstorganisierende Systeme" wiederum stellen den Forschungsfokus des Zentrums im Lakeside Park am Wörthersee dar. Selbstorganisierende Energiesysteme, Smart Grids, sollen demnächst zum Thema eines eigenen Labors im Rahmen des Klagenfurter Zentrums werden. (red)