In Großbritannien ist es plötzlich ein Thema, in Österreich noch nicht: die enge Beziehung zwischen Boulevardmedien und Politikern, ausgelöst durch den Abhörskandal um Rupert Murdochs Zeitung News of the World. Viele Feststellungen treffen auch auf die Situation hierzulande zu.

Dass sich Politik und Medien "zu nahe gekommen" sind, wie der britische Premierminister David Cameron nun eingesteht, ist auch in Österreich der Fall. Jeder, der die - im ORF nie gezeigte - Arte-Dokumentation über Hans Dichand gesehen hat, wird sich an die Bilder erinnern, wie der damalige Bundespräsident Thomas Klestil und der Krone-Chef die politische Situation in Österreich erörterten. Dass Onkel Hans die Republik regiert, wurde im Juni 2008 schriftlich durch den Brief von Alfred Gusenbauer und Werner Faymann an Dichand dokumentiert, die ohne Konsultation der SPÖ-Gremien die EU-Politik ihrer Partei auf Krone-Kurs brachten.

Camerons Kritik, dass Parteien "so versessen" darauf seien, die Unterstützung einzelner Medien zu gewinnen, lässt sich auch hierzulande feststellen. Nur Wolfgang Schüssel scherte sich bei der Regierungsbildung 2000 nicht um die Unterstützung der Krone - und wurde deshalb vom Kleinformat besonders heftig angegriffen.

Die Politik in Österreich versucht mittels Inseratschaltungen Boulevardmedien zufriedenzustellen - und damit Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Der Großteil der auf hundert Millionen Euro jährlich geschätzten Ausgaben fließen Kronen Zeitung, Eva Dichands Gratisblatt Heute und Wolfgang Fellners Österreich zu. Geld der Steuerzahler wird eingesetzt, um positive Berichterstattung zu kaufen. Bleiben Anzeigenschaltungen von Ministerien oder staatsnahen Unternehmen aus, kann dies zu Kampagnen führen, wie dies Österreich bei der Asfinag nach deren Inseratenstopp macht.

Was in Großbritannien nun bekannt wurde - dass Politiker und Journalisten gemeinsam auf Urlaub fahren oder einander gegenseitig zu Familienfeiern einladen -, ist auch hierzulande üblich. In Großbritannien waren der damalige Premier Gordon Brown und sein Nachfolger Cameron bei der Eheschließung der damaligen News of the World-Chefredakteurin Rebekah Brooks dabei, Werner Faymann reiste 2008 zur Hochzeit seiner Pressesprecherin Angelika Feigl mit Krone-Journalist Claus Pandi nach Venedig an.

In Deutschland gilt als unvereinbar, dass Sprecher von Politikern mit Innenpolitik-Journalisten privat verbunden sind. Um Konflikten aus dem Weg zu gehen, hat der Lebensgefährte der damaligen dritten Regierungssprecherin das Innenpolitik-Ressort verlassen. Im Medienbereich tätige Lebensgefährten zweier Grün-Politikerinnen haben sich ebenfalls zurückgezogen.

Ein Zeichen der weitverbreiteten Verhaberung in Österreich ist, dass viele Journalisten mit Politikern per Du sind. Damit wird eine Nähe hergestellt, die Beißhemmung erzeugt. Das ist mit ein Grund, warum ein Teil der österreichischen Medien ihrer Kontrollfunktion nicht ausreichend gerecht wird.

In Österreich gibt es ein sehr ausgeprägtes selbstreferenzielles System - jeder kennt jeden aufgrund der Kleinheit des Landes und der überschaubaren Zahl an Journalisten und Politikern. Im Unterschied zu Großbritannien bewirkt in Österreich womöglich ein derart massiver Skandal gar kein Umdenken in Politik und Medien. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD; Printausgabe, 13.7.2011)