Rob Wainwright, seit zwei Jahren Direktor der europäischen Polizeibehörde Europol, beteuert, dass die Vorratsdatenspeicherung unbedingt notwendig ist.

Foto: Europol, Arturas Gudavicius

50 Millionen Euro Schaden, mindestens 15.000 Opfer: Umtriebig war eine unter bulgarischer Führung stehende Gruppe, die in den vergangenen drei Jahren mit kopierten Bankomatkarten europäische Konten geplündert hat. Unter der Führung der europäischen Polizeibehörde Europol wurden nun 61 Verdächtige in fünf Ländern verhaftet. Für Europol-Direktor Rob Wainwright ein Beweis, wie global Gesetzesbrecher mittlerweile agieren - und warum seine Institution bedeutsam ist.

An manipulierten Bankomaten oder Bankomatkassen haben die Verdächtigen vor allem in Italien die Daten des Magnetstreifens der Karten kopiert und mittels Kameras oder simplen Über-die-Schulter-Schauens den Code ausgespäht. In Österreich nutzt das vergleichsweise wenig: Wer hier von einem heimischen Konto Geld abheben will, muss eine Karte mit integriertem Chip haben, der Magnetstreifen alleine reicht nicht.

Allerdings ist das in Übersee anders. "In den USA und Afrika wird der Chip nicht benötigt", erklärt Marcin Skowronek, einer der an der Operation "Night Clone" beteiligten Beamten. "Die Gruppe hat die Daten elektronisch dorthin übermittelt, wo sie auf sogenannte White Cards kopiert werden, mit denen Geld abgehoben wird."

Für den britischen Europol-Chef Rob Wainwright ist dies ein Beispiel, wie international das Verbrechen geworden ist. "Europa ist eine der reichsten Gegenden der Welt, hat eine offene Gesellschaft, und es gibt Reisefreiheit. Das sind gute Bedingungen für die organisierte Kriminalität. Die verbreitet sich seit Jahren immer mehr und geht über nationale und ethnische Grenzen hinweg."

Ob eben wegen der grenzenlosen Bewegungsfreiheit im Schengenraum der dänische Schritt, Grenzkontrollen wieder einzuführen, aus Polizeisicht nicht vorteilhaft wäre? "Als Bürger halte ich Schengen für eine Erfolgsgeschichte, die die europäische Einigung greifbar macht. Als Polizist gebe ich keine Einschätzung der Schritte von Mitgliedsstaaten ab."

Vorbehalte bei Polizei

Ein Problem ist, dass Europol-Beamte keine Exekutivbefugnisse haben. Das werde sich nicht so bald ändern, gibt sich Wainwright realistisch. "Ein europäisches FBI wird es in dieser Generation nicht mehr geben." Denn besonders auf den unteren Ebenen der Polizei sind die Vorbehalte noch groß, ist ihm bewusst.

"Die Polizei ist eine konservative Gemeinschaft, in Europa basiert sie traditionell auf den lokalen Beamten. Die geben nicht gerne allzu viel an andere Stellen weiter." Zwei Millionen Polizeibeamte gebe es in Europa, die müsse man überzeugen. "Wir müssen klarmachen, dass wir ein Ort sind, an dem die Informationen sicher sind." Jene, die mit Europol bereits zu tun hatten, seien hochzufrieden. "Wir haben bei Befragungen eine Wiederempfehlungsrate von neun von zehn Punkten."

Vorerst bleibt es aber dabei, dass sich seine über 700 Untergebenen vor allem auf die Sammlung und Analyse von Daten sowie die Koordinierung von Polizeiaktionen beschränkt.

Beispiel Kindesmissbrauch

In der Frage der Daten hat Wainwright allerdings Begehrlichkeiten. "Wir brauchen den Zugang zu mehr Daten und die Vorratsdatenspeicherung", stellt er klar. Und bringt das von Befürwortern gerne angeführte Beispiel Kinderpornografie. "In einem Fall wurden 230 Kinder davor bewahrt, weiter missbraucht zu werden." Allerdings sei eine Balance mit dem Datenschutz zu finden. "Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben. Aber Europol hat die strengsten Bestimmungen aller Polizeidienste, die ich kenne", gibt sich der 44-Jährige selbstbewusst. (Michael Möseneder aus Den Haag, DER STANDARD; Printausgabe, 13.7.2011)