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Nicolas Sarkozy am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Afghanistans Präsidenten Hamid Karzai in Kabul.

Foto: EPA/S. SABAWOON

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Hartnäckiger Widerstand: Demonstration für Gaddafi (im Bild mit Söhnen Saif al-Islam, li., und Khamis) in Tripolis Mitte Juni.

Foto: REUTERS/Ahmed Jadallah

Am 19. März erteilte Nicolas Sarkozy als erster westlicher Staatschef den Angriffsbefehl gegen Muammar al-Gaddafi. Die Briten und die Amerikaner ließen dem französischen Präsidenten gern den Vortritt. Zumal dieser sehr zielsicher antrat und kategorisch erklärte: "Gaddafi muss weg."

115 Tage - und tausende Bombentonnen - später sitzt der libysche Machthaber immer noch im Sattel. Der serbische Präsident Slobodan Milosevic hatte 1999 nach 80 Tagen die Waffen gestreckt. Gaddafis Armee ist bedeutend schwächer als die serbische. Dennoch scheint der Nato-Einsatz in Libyen weit entfernt vom Ziel.

Am Dienstag musste Sarkozy zuerst einmal das eigene Parlament zum französischen Truppeneinsatz unter Nato-Flagge anhören. Die französische Verfassung schreibt dies vor, wenn ein Truppeneinsatz im Ausland vier Monate gedauert hat. Die Unterstützung der Nationalversammlung war ihm zwar gewiss: Seine bürgerliche Partei UMP und die oppositionellen Sozialisten stimmten beide für die Fortsetzung der Mission. Nur die Kommunisten waren dagegen; die Grünen sind gespalten.

Trotzdem kam aus allen Parteien Kritik. Viele Abgeordnete prangerten die hohen Kosten an. Allein die französische Armee hat nach offiziellen Zahlen bereits 100 Millionen Euro für die Anti-Gaddafi-Operation ausgegeben. Experten vermuten eher 160 Millionen.

Afghanistan-Abzug

Die Regierung setzte alles daran, die Debatte klein zu halten. Wie zu einem Ablenkungsmanöver reiste Sarkozy am selben Tag nach Afghanistan. Dort gab er einzig den Rückzug von tausend französischen Soldaten bekannt, was nichts Neues ist. "Man muss wissen, wie man einen Krieg beendet", meinte Sarkozy vor seinen Truppen in Tora (Provinz Kabul).

Die Bemerkung war natürlich auf Afghanistan gemünzt. Viele Franzosen dachten aber eher an Libyen, darunter offenbar auch höchste Regierungsvertreter. Seit kurzem sind aus dem Quai d'Orsay, dem französischen Außenministerium, semantische Nuancen zu hören: Nicht mehr der kompromisslose "Abgang" Gaddafis wird gefordert, sondern sein "Rückzug". Nicht mehr nur die militärische, sondern auch eine "politische Lösung" sei nötig, sagt Außenminister Alain Juppé. Verteidigungsminister Gérard Longuet ging noch weiter: "Wir beenden die Bombardierungen, sobald die Libyer miteinander reden und die Militärs in die Kasernen zurückgekehrt sind." Selbst wenn Gaddafi bleibt? "Er wird in einem anderen Zimmer seines Palastes sein, mit einem anderen Titel."

Wenn es nach Paris geht, kann Gaddafi also unter Umständen in Tripolis bleiben. Das ist eine Kehrtwende. Gaddafis Sohn Saif al-Islam doppelte mit der Erklärung nach, Paris und Tripolis führten bereits "Verhandlungen" über eine politische Lösung. Der Quai d'Orsay dementiert heftig.

Jede "politische" Lösung würde, so meinen Kenner der libysch-französischen Beziehungen, endlose Basar-Debatten nach sich ziehen. Das schafft nicht viel bessere Aussichten für Sarkozy, der vor der Präsidentschaftswahl 2012 unbedingt einen militärischen Erfolg und sich als gewiefter Feldherr präsentieren wollte. Vorläufig weiß er aber noch nicht, wie er den libyschen Krieg beenden soll. (Stefan Brändle aus Paris, STANDARD-Printausgabe, 13.7.2011)