Graz/St. Pölten - Ziemlich verschnupft reagiert die niederösterreichische ÖVP auf den Reformeifer der schwarzen Parteifreunde in der benachbarten Steiermark. Der Gemeindevertreterverband der VP Niederösterreich beurteilt die Pläne der steirischen rot-schwarzen Koalition, Gemeinden im großen Stil zusammenzulegen, für "brandgefährlich". Der Präsident des VP-Verbandes, Alfred Riedl, lehnt Ähnliches für Niederösterreich "strikt ab". Riedl: "Die Reformpläne der steirischen Landes- und Kommunalpolitiker sind untragbar."

Riedl meint damit auch den Entschluss der Steirer, den Landtag zu verkleinern und das Proporzsystem abzuschaffen. Die Lösung für sinkende Einnahmen der Gemeinden könnte nicht in Gemeindefusionen liegen, sagt Riedl. Daher stünden Zusammenlegungen in Niederösterreich "weder zur Debatte noch auf der Tagesordnung".

Die steirischen Pläne seien jedenfalls "brandgefährlich" für die Zukunft des ländlichen Raumes, sie führten zu einer "totalen Abwertung der Gemeinden". Alfred Riedl: "Wir haben den gemeindefeindlichen Kurs diverser Politiker satt, die immer wieder auf den Zusammenlegungszug aufspringen und glauben, das sei die Lösung des Problems."

Die steirische Politik hat ganz offensichtlich eine völlig andere Sicht der Dinge und will sogar noch einen Schritt weitergehen. Während die Landesregierung über eine Reduktion der Gemeindezahl von 542 auf "unter 300" nachdenkt, favorisiert die steirische Wirtschaftskammer noch radikalere Ideen. "Hundert Gemeinden sind auch genug", sagte Wirtschaftskammer-Direktor Thomas Spann am Dienstag im Gespräch mit dem Standard. Es gebe dazu kammerintern genaue Berechnungen, die eine drastische Reduktion der Gemeindezahlen auf die jetzige Struktur von rund hundert Kleinregionen zuließen, sagte Spann. Die Zeit für solche Radikallösungen sei - mit Blick auf die finanzielle Lage der Gemeinden - dringend.

In statistischen Analysen wiesen bereits 524 der 542 steirischen Gemeinden eine Überschuldung ihrer Haushalte aus. Lediglich 18 Ortschaften sind demnach schuldenfrei und bilanzieren positiv. Am stärksten sind, sagte Spann, Klein- und Kleinstgemeinden verschuldet. Die besten Finanzwerte erreichten Gemeinden in Größenordnungen zwischen 2500 und 5000 Einwohnern. Mehr als 80 Prozent der steirischen Ortschaften aber lägen bei oder unter 2500 Einwohnern.

Nur ein Oberbürgermeister

Thomas Spann: "Ich glaube, der Leidensdruck in den Gemeinden wird so stark werden, dass sie Zusammenlegungen zustimmen werden. Es sind ja keine Radikalschnitte. Mit den gleichen Mitteln wie bisher kann durch ein verbindliches Zusammenarbeiten eine bessere Leistung und mehr Effizienz erzielt werden. Die Ortstafeln werden ja nicht abmontiert. Es gibt dann halt, wenn sich Gemeinden zusammenschließen, nicht mehrere Ortschefs, sondern nur einen Oberbürgermeister." (Walter Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.7.2011)