Gäbe es einen Preis für zermürbende diplomatische Verhandlungen, Griechen und Türken auf Zypern würden ihn mühelos erhalten. Sieben Jahre nach dem folgenreichen Scheitern des Annan-Plans wächst der Druck auf der Insel für ein neues Referendum über ein Ende der Teilung. 2004, kurz vor dem Beitritt der Republik Zypern zur EU, stimmten alle Zyprer über einen Vorschlag des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zu einem gemeinsamen Staat ab - die Griechen sagten Nein. Nun soll bis zur Übernahme der ersten EU-Ratspräsidentschaft Zyperns im Juli 2012 ein zweites Referendum her.

Vereint sollen griechische und türkische Zyprer dann die EU führen, forderte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu bei einem Besuch in der nur von Ankara anerkannten Republik Nordzypern: "Das muss unser Ziel sein." Auch die Uno sieht das so. Eine Erfolgsgarantie ist das freilich nicht.

Zugeständnisse in Genf

Das jüngste Treffen zwischen dem zyprischen Präsidenten Demetris Christofias und dem Führer der türkischen Zyprer, Dervis Eroglu, in Genf vergangene Woche beschrieb ein Beobachter als "gar nicht so schlecht" . "Ich bin jetzt hoffnungsvoller" , sagte der Politikwissenschafter Ahmet Sözen. Beide Seiten hätten in der Frage des Grundeigentums Zugeständnisse gemacht, erklärte Sözen, ein früherer Verhandlungsteilnehmer, im Gespräch mit dem Standard: Die Türken akzeptierten, dass über die strittige Frage jetzt und nicht erst am Ende der Verhandlungen diskutiert wird; die Griechen hätten Einschränkungen beim Grundbesitz gemacht und fordern dafür den Tausch von Gebieten. Wenigstens zwei Drittel der Häuser und Ländereien im Norden der Insel, den die türkische Armee besetzt hält, gehören griechischen Zyprioten.

Bald 40 Jahre nach der Teilung der Insel ist fast jeder denkbare Vorschlag am Verhandlungstisch durchgekaut worden. Sözen, Professor an der Universität von Famagusta, sieht nun vier mögliche Szenarien:ein "belgisches Modell" , das dem Vorschlag der Uno für einen föderativen Staat mit einem griechischen und einem türkischen Teil und einer Zentralregierung folgt; die einvernehmliche Trennung im Fall des Scheiterns der Föderation, wie es Tschechen und Slowaken vorgemacht hätten;den Ausstieg der Griechen aus den Verhandlungen; schließlich den unwahrscheinlicheren Fall, dass die Inseltürken den Verhandlungstisch verlassen.

Wahlkalkül

Wahltaktische Überlegungen schränken den Spielraum des zyprischen Präsidenten Dimitris Christofias ein. Seine kommunistische Partei des werktätigen Volkes (Akel) ist seit 2008 in einem Zweckbündnis mit den Liberalen der Demokratischen Partei (Diko). Nach den Parlamentswahlen im Mai misslang das bisherige Arrangement bei der Machtaufteilung: Der Diko-Chef wurde nicht mehr Parlamentspräsident. Stimmen fehlten, in der liberalen Partei gärt es. Christofias' "weiche Linie" bei den Zypern-Gesprächen wird kritisiert. Die Unterstützung durch Diko soll aber Christofias' Wiederwahl als Präsident 2013 sichern. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2011)