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Für Herbert Bartl sind die Anliegen und Forderungen der Basis-Initiativen seit Jahren gelebte Praxis.

Foto: APA/dpa/Lübke

Wien - Viel wird dieser Tage über ungehorsames Verhalten in der katholischen Kirche diskutiert. Die Pfarrerinitiative rund um den früheren Generalvikar Helmut Schüller will die Rechte der Laien stärken und die Kommunion auch wiederverheirateten Geschiedenen nicht vorenthalten. Die klerikale Protestnote trägt den Titel "Aufruf zum Ungehorsam". Ihre Unterstützung bekundete auch die katholische Laieninitiative, im Erzbischöflichen Palais empfindet man ob dieser Basis-Rebellion "Wut und Trauer".

Herbert Bartl findet die heikle Debatte eher "amüsant". Nicht, dass der Wiener Priester die Anliegen und Forderungen der Basis-Initiativen belächelt, vielmehr ist für den Gottesmann das, was jetzt die kritischen Schäfchen einfordern, seit Jahren gelebte Praxis.

Ein Jahr nach seiner Priesterweihe, 1968, lernte Herbert Bartl Rosie kennen. Er Kaplan, sie zuständig für Jugendarbeit. Kurz darauf wird geheiratet, Rosie ist da schon schwanger. Das Ja-Wort hat den jungen Geistlichen damals das Amt gekostet. Bartl ist mit der Erlaubnis Roms eine Ehe eingegangen, darf aber deswegen sein Priesteramt eigentlich nicht mehr ausüben. Doch Bartl, heute Vorsitzender der Organisation "Priester ohne Amt", ist seit mittlerweile 40 Jahren "glücklich verheiratet" - und regelmäßig als Pfarrer aktiv. Der geweihte Priester liest zweimal pro Woche die Messe in einem Wiener Altenheim. "Die Gläubigen wissen, dass ihr Pfarrer Frau und Kinder hat. Ich trage während der Messe meinen Ehering", erzählt Bartl im Standard-Gespräch. Kirchenrechtlich sieht sich der Pfarrer mit Anhang auf der sicheren Seite: "Ich wurde weder exkommuniziert noch suspendiert - sondern dispensiert."

Kirchenrechts-Frage

Die Initiative sieht ihr geistliches Wirken trotz Trauscheins durch den Canon 1335 im Kirchenrecht legitimiert. Dieser besagt, dass das Verbot der Ausübung des Priesterdienstes unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt wird. Konkret unterscheidet der Canon, ob ein Priester einer Beugestrafe unterworfen (suspendiert) ist oder nicht. Wenn ein Priester einer Beugestrafe unterliegt, dann darf er - etwa in Todesgefahr - jemandem die Beichte abnehmen oder die Krankensalbung spenden. Liegt keine Beugestrafe vor, so wird das Verbot "außerdem ausgesetzt, sooft ein Gläubiger um die Spendung eines Sakramentes oder um einen Akt der Leitungsgewalt nachsucht".

Bartl: "Das Verbot, das Priesteramt auszuüben, ist ein einfaches Verbot und daher keine Suspendierung. Ein einfaches Verbot aber wird vom Canon 1335 wieder aufgehoben, so oft ein Gläubiger darum bittet." Was man aber von offizieller Kirchenseite entschieden anders sieht: Ein Kleriker werde sehr wohl, sobald er um Dispens von den priesterlichen Verpflichtungen und somit um die Entlassung aus dem Klerikerstand ansucht, vom zuständigen Diözesanbischof suspendiert.

Doch auch, wenn die kirchlichen Rechtsmeinungen unterschiedlich sind, ist eines klar: Die Arbeit vieler der 700 Priester ohne Amt in Österreich wird von der Kirchenleitung still geduldet. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD; Printausgabe, 12.7.2011)