Zum Abschied geht's ans Eingemachte: Harry Potter (Daniel Radcliffe) und Lord Voldemort (Ralph Fiennes) rüsten sich in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" zum letzten Gefecht.

Foto: Warner Bros.

Wien - Alles hat bekanntlich ein Ende, und nur der Zauberstab hat zwei. So kann mit dem dieswöchigen Kinostart von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2 nun auch der bekannteste Brillenträger seit Heino in die verdiente Zauberlehrlingspension gehen. In den letzten 14 Jahren hat der Junge, der ausersehen ist, den bösen Magier Voldemort zu töten, Buchhandlungs- und Kinokassen in einem bis dahin unbekannten Ausmaß zum Klingeln gebracht. Dass das Vermögen der britischen Autorin J. K. Rowling dank ihrer Schöpfung möglicherweise sogar das ihrer Königin übertrifft, ist da nur ein kleines Detail am Rande.

David Yates, der seit der Verfilmung des fünften Potter-Romans im Regiestuhl sitzt, kann sich bei seiner Inszenierung des großen Finales also darauf verlassen, dass sein alle Altersgruppen umfassendes Publikum mit der Geschichte vertraut ist. Entsprechend wenig hält er sich mit Erklärungen oder Rückblenden auf. Kinobesucher ohne Vorkenntnisse werden ihre Begleitpersonen um Orientierungshilfe bitten müssen.

Nahtloser Anschluss

Für die Eingeweihten geht es indessen nahtlos dort weiter, wo die erste Hälfte des siebten Bandes letzten Winter abrupt endete: Während der nasenlose Voldemort (Ralph Fiennes) zunehmend an Macht gewinnt, muss Harry mit seinen Freunden Hermine und Ron sogenannte Horkruxe finden und zerstören, um die Pläne des Finsterlings zunichte zu machen.

Das Personal ist das gleiche geblieben, zehn Jahre hatten Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint Zeit, um mit ihren Rollen zu wachsen. Auch der mit der Reifung Potters einhergegangene düstere Grundton wird beibehalten. Hier spielt man nicht mehr lustige Quidditch-Partien, hier geht es um Leben und Tod.

Neu ist hingegen, dass es die magischen Duelle diesmal in 3-D zu sehen gibt. Das war auch an der Zeit, schließlich eignet sich wohl keine Filmreihe besser, um die Zuseher zum Brillentragen zu verdonnern und durch Räume wie aus Pop-up-Karten wandern zu lassen. Tatsächlich wird der 3-D-Effekt mitunter durchaus gewinnbringend eingesetzt, etwa bei einem Blick über das belagerte Schloss Hogwarts oder in der Enge einer Strandhütte, wo sich die Jungmagier eingangs von den vergangenen Strapazen erholen. Dazu gibt es natürlich auch die obligatorische Achterbahnfahrt und die ins Betrachterauge schnappende Schlange, die Momente der reinen Effekthascherei halten sich aber in erfreulichen Grenzen.

Ein weiterer augenscheinlicher Unterschied gegenüber dem unmittelbaren Vorgänger ist schließlich das Mehr an Action. Während man in Teil eins des Finales mit den Helden noch reichlich ziellos durch die Wälder streifen musste, geht es jetzt endlich ans Eingemachte. Da gibt es einen Drachenflug, erlebt man den größten Festungssturm seit Herr der Ringe und wird schließlich Zeuge, wie Harry Potter und Lord Voldemort ihre Zauberstäbe herausholen, um zu sehen, wer den stärkeren hat.

So kann Potters letztes Abenteuer zwar seine gewohnt lange Spielzeit von 130 Minuten mit etwas viel hektischem Herumgelaufe in den Schulgängen nicht gänzlich vergessen machen und sorgt der allseits gefürchtete Voldemort im Kinosaal eigentlich kaum für Schrecken. Dennoch vermag der Film mit seinem hervorragenden britischen Ensemble und prächtigen Bildern immer wieder jene Magie aufblitzen zu lassen, die man sich von einem derartigen Blockbuster erhoffen kann.

Angemessener Abschied

Weit entfernt davon, eine reine technische Leistungsschau wie Michael Bays Transformers 3 zu sein, wird hier schließlich eine Geschichte erzählt. Rowlings Leistung besteht darin, eine in sich funktionierende Welt geschaffen zu haben - zwar mitunter etwas maßlos und unter Zuhilfenahme zahlreicher Versatzstücke der fantastischen Literatur. Doch sie nimmt ihre Leser gefangen wie zuvor höchstens das Star Wars -Universum.

Mit seiner Vorlagentreue, die aus den 600 Seiten von Die Heiligtümer des Todes gut viereinhalb Stunden Film gemacht hat, geht Regisseur Yates zwar auf Nummer sicher und sorgt für eine maximale Verwertung der Potter'schen Schullaufbahn; zugleich ist ihm aber zum Abschluss ein Film gelungen, der mit seiner Mischung aus Action, mildem Pathos und zwei verschämten Küssen unterhält, berührt und allen dem Zauberzögling Wohlgesinnten einen angemessenen Abschied von Hogwarts' Musterschüler erlaubt. (Dorian Waller, DER STANDARD - Printausgabe, 12. Juli 2011)