Wo versteckt sich Rachat Alijew? Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme war er noch Botschafter von Kasachstan in Österreich. Nun wird gegen ihn auch hierzulande wegen Mordverdachts ermittelt.

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Wien - Seit mehr als zwei Jahren geistert Rachat Alijew als Phantom durch die heimische Justiz. Wo sich der frühere Botschafter Kasachstans in Österreich, dem in seiner Heimat Entführung und Mord vorgeworfen wird, aufhält, will niemand wissen. In Österreich jedenfalls längst nicht mehr, heißt es von offizieller Seite im Justizministerium. Malta galt zwar zuletzt als heißer Tipp, doch seine Anwälte behaupten, sie wüssten nicht einmal, auf welchem Kontinent sich ihr Mandant befinde. Die Kunde, dass nun überraschend auch in Österreich - nach zwei abgelehnten Auslieferungsanträgen Kasachstans - ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, dürfte Alijew also mäßig beunruhigen.

Wie der Standard berichtete, wurde Alijew 2008 wegen der Entführung von zwei Bankmanagern in Kasachstan zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Zholdas T. und Aybar K. waren ein Jahr davor in der Umgebung der staatlichen Nurbank in Almaty (Haupteigentümer der Bank ist Rachat Alijew) spurlos verschwunden. Erst vergangenen Mai wurden die Leichen der beiden Männer in Almaty aufgefunden. Obwohl die Toten durch die Lagerung in Kalkfässern bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren, konnte ihre Identität durch DNA-Tests nachgewiesen werden.

Opfer eines politischen Feldzugs

Alijew selbst sprach zu der Zeit, als er sich noch nicht versteckte, stets von manipulierten Beweisen und beteuerte, dass die beiden vermissten Bankmanager noch gelebt hätten, als er das Land verlassen habe. Er stellte sich als Opfer eines politischen Feldzugs durch seinen Ex-Schwiegervater und autoritären kasachischen Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew dar. Diese Darstellung halten seine Anwälte Wolfgang Brandstetter und Otto Dietrich bis heute aufrecht.

Der Anwalt der Witwen der beiden Nurbank-Manager, Gabriel Lansky, hingegen bezichtigte die österreichischen Behörden, Fluchthelfer für Alijew und vier mutmaßliche Komplizen gespielt zu haben. Nicht nur, dass die Auslieferungsanträge aus Kasachstan aus unverständlichen Gründen abgelehnt worden seien, sei bei einem Treffen hochrangiger Vertreter von Innen-, Justiz- und Außenministerium Ende Mai die Hoffnung geäußert worden, dass sich Alijew und Co ins Ausland abgesetzt hätten. Das Treffen habe stattgefunden, nachdem die Behörden durch den Leichenfund in Kasachstan Beweise erlangt hätten, so Lansky.

EU verlangt Auskunft

Zuletzt hat auch die EU massiv Druck auf Österreich ausgeübt: EU-Justizkommissarin Viviane Reding verlangte Auskunft über die Auslieferung Alijews. Zwei Anträge Kasachstans waren abgelehnt worden, weil Alijew in seiner Heimat kein faires Verfahren erwarte, wie die Begründung lautete. Juristisch gesehen blieb Österreich deshalb - spät, aber doch - nichts anderes übrig, als ein eigenes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Mord und erpresserische Entführung zu starten. Laut Justizministerium wird derzeit eine Liste von "einzuvernehmenden Personen" erstellt. Alijew selbst bleibt vorerst das gesuchte Phantom. (simo, DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2011)