Sie sind wieder da. Seit Freitag stehen erneut Zelte am Tahrir-Platz in Kairo. Den tausenden Demonstranten geht es zu langsam vorwärts. Zu wenig sei passiert seit der Militärrat im Februar die Macht im Land übernommen hat. Die Vorwürfe: Polizisten, die beschuldigt werden in den Revolutionstagen Demonstranten umgebracht zu haben, werden nicht vor Gericht gestellt, Mitglieder des Mubarak-Regimes bekleiden weiterhin wichtige Schaltstellen des Landes.

Die Protestbewegung scheint wieder ähnlich geeint wie zu Beginn des Jahres, als eine junge, gut ausgebildete Elite gemeinsam mit den Bewohnern der Elendsviertel Kairos am Tahrir-Platz gegen das Mubarak-Regime auftrat. Kurzfristig sind die Reihen also wieder geschlossen. Jetzt allerdings fehlt der gemeinsame Gegner – und damit auch der gemeinsame Nenner. Es wird entscheidend für den Erfolg der Demokratiebewegung sein, ob sie auch die ärmeren, schlecht ausgebildeten Bevölkerungsschichten erreichen kann. Eine Problem, für das die "Generation Facebook" derzeit noch keine Lösung gefunden zu haben scheint.

Die Muslimbruderschaft, die derzeit – neben dem Militär - am besten organisierte politische Kraft, ist auch in den Elendsvierteln der Stadt präsent, betreibt Krankenhäuser, verteilt Lebensmittel und hilft hin und wieder auch aus finanziellen Notlagen. Die neuerlichen Proteste am Tahrir-Platz unterstützte sie zuerst nicht, haben sich dann aber doch entschlossen für die Demonstration zu mobilisieren.

Aber auch die Muslimbruderschaft ist keine homogene Gruppe: Während Konservative innerhalb der Gruppierung einen islamischen Staat errichten möchten, wollen andere den Islam eher als religiöse Identität verstanden wissen. Vergleichbar mit den christlich-konservativen Volksparteien in Europa. Die Bruderschaft hat angekündigt bei den Präsidentschaftswahlen im September nicht als Gruppe kandidieren zu wollen. Einzelne Vertreter der Muslimbruderschaft könnten aber als unabhängige Kandidaten antreten. Abul Futuh hat seine Kandidatur bereits bekannt gegeben. Noch immer ist auch die Möglichkeit einer Militärherrschaft nicht völlig vom Tisch. Die Konflikte zwischen Muslimen und koptischen Christen nehmen zu.

Die Herausforderungen scheinen von Tag zu Tag mehr zu werden – die Optionen ebenso. Wie Ägypten in einem Jahr aussehen wird, bleibt völlig ungewiss. Die Entscheidung fällt entweder bei den Wahlen im September – oder unter dem Zeltdach des Tahrir-Platzes. (mka, derStandard.at, 11.7.2011)